Der Ruf des Abendvogels Roman
Natürlich wirkten die Unkräuter inmitten der übrigen Vegetation am gesündesten und widerstandsfähigsten, während alles andere vertrocknet und leblos aussah.
»Missus sollte hier draußen nicht so hart arbeiten«, sagte Nugget.
»Wir brauchen aber frisches Gemüse ...«
»Heuschrecken kommen. Sie essen alles auf.«
»Wann, Nugget?«
Er zuckte mit den Schultern, den Blick in die Ferne gerichtet, als lausche er auf irgendetwas. Tara zog die Harke über den Boden und blieb an einem großen Stein hängen.
»Ich sollte zumindest den Boden zum Säen vorbereiten. Das Erste, was ich tun muss, ist, diese Steine wegzuräumen.«
»Tut mir Leid, dass ich nicht helfen kann, Missus. Viele Schafe auszusondern, bevor die Sonne untergeht.«
Tara sah die gesattelten Pferde vor dem Schererhaus. »Das ist schon in Ordnung, Nugget. Jack kann mir später helfen. Ich wollte ihn heute Morgen ausschlafen lassen.«
»Junge schläft nicht – er hat zwei Pferde gesattelt, Missus.«
Tara erschrak. »Ich dachte, er ... wäre noch in seinem Zimmer.«
»Er war wach, lange bevor Sonne kam. Hat mit uns Damper gegessen und Tee getrunken und ist fort.«
Tara war sehr verwundert, denn Jack hatte Ethan eigentlich erst nach dem Frühstück treffen sollen. Sie hoffte nur, dass er nicht versuchen würde, die Klippe hinaufzuklettern, bevor Ethan ihm den Weg zeigte.
»Reitet Tadd heute Morgen mit Ihnen?«, fragte sie.
»Nein, Missus.«
»Was tut er dann, Nugget?«
Er zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht, Missus. Das weiß nur Gott der weißen Männer.«
Tara lachte, sie spürte allerdings, dass Nugget noch mehr auf der Zunge lag. Entweder hatte er Angst, oder er wollte TaddSweeney nicht anschwärzen. »Sie mögen ihn nicht, stimmt’s, Nugget?«
Nugget hob wieder die Schultern. »Er kein einfacher Mann, Missus. Bleibt für sich und verbringt viel Zeit mit Missus Victoria.«
Tara spürte, dass Nugget Tadd Sweeney nicht traute, und ihr ging es ebenso, auch wenn sie nicht wusste, warum. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass er in ihre Tante verliebt sein könnte – und sie war sich nicht sicher, wie sie damit umgehen sollte, wenn es tatsächlich so war.
Tara plagte sich eine Stunde lang in der brennenden Sonne. Danach zeugte nur ein kleines Häufchen Steine von ihren Bemühungen. Der Boden war an der Oberfläche sandig, doch darunter hart wie Eisen. Als der Frühstücksgong ertönte, hatte sie schon Blasen an den Händen, und ihr Rücken schmerzte. Beschämt stellte sie fest, dass ihre Entschlossenheit im selben Maß schwand, in dem die Temperatur anstieg, und ihr steter Kampf gegen die Fliegen trieb sie fast in den Wahnsinn.
Bald nachdem sie angefangen hatte zu arbeiten, kam Nerida aus dem Haus, um einige Kleidungsstücke in einem Bottich durchzuwaschen, und Hannah gesellte sich zu Tara. Nerida berichtete, die Kleine habe die Eier aus dem Hühnerstall geholt und dabei vier zerbrochen, die Sanja nun zum Frühstück braten würde. Tara zeigte Hannah ein Spiel, bei dem sie Steine zu einem Haufen aufschichten sollte, doch Hannah wurde dessen rasch müde und spielte stattdessen mit den Welpen. Mellie bewachte sie alle zusammen.
Tadd und Victoria saßen schon am Tisch, als Tara und Hannah ins Esszimmer kamen. Sanja servierte Fladenbrot und bedachte sie mit einem verächtlichen Blick, bevor er trotzig eine Schüssel mit etwas auf den Tisch stellte, was aussah wie Rührei. Tara stellte ärgerlich fest, dass er Curry hineingestreut hatte.
»Haben wir vielleicht etwas Marmelade, Tante Victoria?«, fragte sie munter und mit gespielter Fröhlichkeit.
»Ja, ich glaube, wir haben noch ein Glas voll. Sanja holt es dir, Liebes.«
Der Koch schickte ihr einen hochmütigen Blick, bevor er in die Küche ging und sie zufrieden über ihren kleinen Sieg zurückließ.
»Du hast sehr früh im Garten angefangen, Tara«, meinte Victoria. »Ich konnte es kaum glauben, als Nerida sagte, dass du schon draußen arbeitest, und ich war noch nicht einmal aufgestanden! Wie geht es voran?«
Tara war versucht zu sagen, es sei verdammt harte Arbeit, und sie hasse es, zwang sich aber zu einer eher gemäßigten Aussage. »Ich habe angefangen, alles zum Säen vorzubereiten, aber Nugget meint, ich soll damit warten, bis die Heuschrecken wieder fort sind. Er sagt, die Heuschrecken fressen alles ab, auch das Unkraut, und das kann mir vielleicht einiges an Arbeit ersparen.«
»Wer weiß, ob sie überhaupt hier durchkommen?«, meinte Tadd verächtlich.
»Was führt
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