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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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habe früher auch schon schwere Zeiten überstanden. Ineinem schlimmen Jahr verloren wir über zweitausend Schafe, und nur zweihundert haben die Dürre überstanden. Fast alle Landbesitzer im Umkreis von Hunderten von Meilen haben ihren Besitz aufgegeben, aber ich nicht. Das war im Jahr nach Toms Tod, und glaub mir, es war eine große Versuchung, alles hinzuwerfen. Tadd weiß das alles – er hat damals auch schon für mich gearbeitet.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich will Tambora nicht verlieren, Tara! Ich habe so hart gearbeitet, um es zu behalten ... Wenn meine Augen nicht so schlecht wären, würde ich alles tun, um diesen Besitz zu retten.«
    Tara fühlte, wie ihre Wut auf Tadd wieder aufflammte. Ihrer Meinung nach hatte er Victoria mehr geschadet als genutzt, indem er ihr die Wahrheit vorenthalten hatte. »Ich werde dir helfen, wo immer ich kann, Tante Victoria, das weißt du.«
    In den Augen der Älteren schimmerten Tränen. »Dich hat der Himmel geschickt, Tara!«, meinte sie leise. Dann runzelte sie plötzlich die Stirn. »Ob Ethan wohl das Geld für all die Vorräte bekommen hat, die er uns bringt?«
    »Ich weiß es nicht. Wenn ja, gibt es vielleicht einen Eintrag in den Büchern.«
    »Wenn nicht, werde ich ihn von dem Wenigen auszahlen, das ich beiseite gelegt habe. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, ihm etwas schuldig zu sein. Er muss die Waren, die er abholt, bar bezahlen, und deshalb wäre es nicht recht, wenn er sein Geld nicht bekommt.« Sie seufzte tief auf. »Ich sollte vielleicht nicht so hart mit Tadd ins Gericht gehen – schließlich hat er oft versucht, mit mir zu sprechen, aber ...«
    »Aber was?«
    »Er will ständig Schafe oder Rinder verkaufen, aber das ist nicht immer der richtige Weg. Früher haben wir in schweren Zeiten oft Möglichkeiten entdeckt, Dinge anders zu tun und neue Wege zu gehen. Mit der Zeit haben wir mit verschiedenen Getreidesorten und sogar mit Dattelpalmen experimentiert. Wir haben Ziegen gezüchtet und sogar Kaninchen geschossen, um über die Runden zukommen. Tom hielt die Kamelzucht für eine ausgezeichnete Idee, denn Australien hat die einzigen seuchenfreien Kamele auf der Welt. So kam Ethan dazu, auf unserem Land Kamele zu züchten – sie wollten das Geschäft als Partner betreiben. Tadd ist ein guter Mann, aber von neuen Ideen will er nie etwas wissen.«
    Taras Ansicht nach war Tadd sehr erpicht darauf, dass Victoria die Farm verkaufte – so sehr, dass es schon auffällig war. Sie fragte sich, was für einen Grund er haben mochte. »Gibt es eine Möglichkeit, die Farm zu retten, Tante Victoria?«, fragte sie.
    Die Ältere schwieg einen Augenblick. Dann fragte sie: »Hat Tadd dir gesagt, wie viele Schafe wir noch haben?«
    »Nein – aber die Männer haben heute Morgen eine ansehnliche Herde vor sich her getrieben. Warum fragst du?«
    Leise sagte Victoria: »Tadd weiß nichts davon, aber ich habe vor einiger Zeit, als meine Augen noch nicht ganz so schlecht waren, an einen alten Freund in Indien geschrieben, mit dem ich ab und zu korrespondiere. Er hat einen Betrieb, in dem Teppiche hergestellt werden. Er hatte mir geschrieben, er wolle bald mit der Produktion von Schafwollteppichen beginnen, und regte an, meine Wolle nach Indien zu exportieren, aber das war um die Zeit, als Tom starb, und ich fühlte mich zu deprimiert, um ernsthaft darüber nachzudenken. Doch im vergangenen Jahr habe ich einige diskrete Erkundigungen eingezogen. Wie du wahrscheinlich weißt, ist Wolle hier inzwischen fast wertlos geworden, aber in Indien sieht die Lage etwas anders aus. Außerdem ist Arbeitskraft dort spottbillig, ist es immer gewesen. Ich schrieb also meinem alten Freund, dass ich es für machbar halte, und erkundigte mich, ob er noch interessiert sei. Ungefähr vor zwei Monaten habe ich seine Antwort erhalten, aber wegen meiner schlechten Augen und Williams furchtbarer Handschrift konnte ich den Brief nicht lesen. Tadd konnte ich schlecht bitten, ihn mir vorzulesen, denn ich wollte ihm nicht das Gefühl vermitteln, ich traute ihm nicht zu, meine Geschäfte zu führen. Er ist manchmal recht empfindlich in solchen Dingen. Ich hätte Nerida gefragt, aber sie kann nichtlesen, und Sanja kann kein Englisch lesen. Ethan hätte es sicher getan, aber bis heute habe ich ihn monatelang nicht mehr gesehen.«
    Tara fühlte, wie Erregung in ihr aufstieg. »Wo ist der Brief, Tante Victoria? Ich lese ihn dir vor!«
    »In der obersten Schublade im Schreibtisch neben meinem Bett. Der Name

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