Der Ruf des Abendvogels Roman
hättet, würde er für acht Gänse zwei Pfund nehmen. Wenn nicht, möchte er drei Flaschen Wein, eine Suppenterrine mit einigen Suppenschalen oder, seid jetzt nicht schockiert, einen Nachttopf und eine größere Menge Kartoffeln. Außerdem hat er einiges zu nähen, wenn eine von euch dazu bereit wäre.«
Tara blickte zuerst Victoria, dann Ethan an. »Ich fürchte, ich bin nicht sonderlich talentiert, was Handarbeiten angeht, und meine Tante sieht nicht gut genug, um nähen zu können.«
Im Geiste sah sie Lester Eatons stinkende alte Socken vor sich und fühlte Ekel in sich aufsteigen.
»Aber wir haben fast alles, was er sonst noch erwähnt hat«, meinte Victoria, die sichtlich Feuer gefangen hatte. »Tom hat wertvolle Weine gesammelt. Es müssen einige ziemlich gute Flaschen im Keller sein.« Dann fiel ihr plötzlich etwas ein. »Das heißt, wenn Tadd sie nicht alle inzwischen verkauft hat. Würdest du vielleicht kurz hinuntergehen, Ethan, und nachsehen, was noch da ist?«
»Natürlich.« Er verließ den Raum.
»Ich habe heute Morgen im Garten ein paar alte Kartoffeln ausgegraben«, meinte Tara. »Sie waren nicht mehr sehr appetitlich, deshalb habe ich sie wieder vergraben – aber wenn wir sie für irgendetwas eintauschen könnten ...«
Ethan kam zurück. »Dort unten liegen etwa fünfundzwanzig Flaschen Wein. Weißt du, wie viele es sein müssten?«
»Nicht genau, aber ich glaube, Tom hatte mindestens siebzig oder achtzig Flaschen. Bitte sag Lester Eaton, dass wir ihm für die Gänse zwei sehr gute Flaschen Wein geben, wenn die Tiere jung und gesund sind. Ich bin sicher, dass er zwischen einem guten und einem schlechten Tropfen kaum zu unterscheiden weiß, aber wir werden ihn nicht betrügen. Wenn er ein Entenpärchen oder einen schlachtreifen Truthahn hat, kann er einen Nachttopf dafürbekommen. Und wir beide, Ethan, müssen endlich diese Geldangelegenheit zwischen uns in Ordnung bringen.«
Ethan lächelte. »Ich habe Nugget noch nicht dafür bezahlt, dass er sich in meiner Abwesenheit um die Kamele kümmert. Das würde mindestens die Hälfte der Summe kosten, die du mir schuldest. Vielleicht gibst du ihm einfach, was er verlangt?«
Victoria schüttelte energisch den Kopf. »Das müsst ihr beide untereinander regeln. Ich weiß außerdem, dass du ihm Tabak und alles Mögliche andere gibst, was du eintauschen kannst. Tadd sagte, er hätte ihn in einem deiner Hemden gesehen, und außerdem hat er stolz seine neuen Socken herumgezeigt.«
Wieder grinste Ethan. »Ich musste ihn dafür entschädigen, dass Hannibal ihn gebissen hat.« Tara starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an, und er zwinkerte ihr zu, als habe er sich nur einen Scherz erlaubt – doch sie machte sich trotzdem so ihre Gedanken.
Später war Tara gerade dabei, den Garten umzugraben, als sie Jack in der Nähe der Hundezwinger entdeckte. Ihr war heiß, sie fühlte sich erschöpft, und ihre Handflächen brannten. Langsam richtete sie sich auf und streckte ihren schmerzenden Rücken. Dann beobachtete sie den Jungen eine Weile, der in Gedanken versunken war und ziemlich unglücklich wirkte. Sie hatte gehofft, er würde ihr vielleicht im Garten zur Hand gehen, doch er war ihr seit seiner Rückkehr mit Ethan ein paar Stunden zuvor aus dem Weg gegangen.
Jack hörte sie nicht kommen, als sie zu ihm hinüberging. »Die Zwinger müssten gesäubert werden«, sagte sie, und er schrak zusammen. »Ich dachte, das könntest du vielleicht erledigen. Ich habe mich abgemüht, den Gemüsegarten zum Pflanzen vorzubereiten, aber es ist eine verdammt harte Arbeit ...«
»Es war nicht meine Idee, dass wir uns um die Hunde kümmern sollen«, fiel ihr Jack ins Wort.
Tara war nicht in der Stimmung, ihm ungezogenes Verhalteneinfach durchgehen zu lassen. »Wir müssen alle mit anfassen«, wies sie ihn zurecht.
Er antwortete nicht.
»Hannah hat zum Beispiel die Hühnereier eingesammelt ...«, fügte sie etwas sanfter fort.
»Ich helfe Ethan, aber mehr tue ich nicht!«, rief Jack trotzig und musterte sie mit solcher Abneigung, dass Tara förmlich zurückwich.
»Dir helfe ich jedenfalls nicht!«, fügte der Junge hinzu und rannte davon.
Tränen strömten Tara über die Wangen, als sie zum Gemüsegarten zurückging. Sie begriff nicht, warum Jack sie so sehr zu hassen schien und was sich geändert hatte, seit sie in Tambora angekommen waren. Während der Reise war er zurückhaltend gewesen, aber niemals feindselig.
Enttäuscht und wütend bearbeitete Tara den
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