Der Ruf des Abendvogels Roman
ihren Spaten fallen und wischte sich den Schweiß von der Stirn, als Ethan auch schon auf Hannibal um die Hausecke geritten kam. Mellie sprang aufgeregt um die Beine des Kamels herum, dem drei andere folgten. Jedes der drei Tiere trug je zwei große Drahtkäfige auf dem Rücken, die leichte Decken vor der Sonne schützten.
»Wenn ich noch weiter hätte reiten müssen, hätten sie es wahrscheinlich nicht überstanden«, rief Ethan Tara zu. »Ich musste sie mit Wasser besprengen, um sie am Leben zu halten!«
Tara bemitleidete die armen Tiere. Sie hatten die eintägige Zugfahrt von Emu Creek nach Wombat Creek hinter sich und waren danach noch zwei Tage in den engen Käfigen auf den Rücken der Kamele der unerträglichen Hitze ausgesetzt gewesen. Tara konnte sie trotz des Gebrülls der Kamele zischeln hören.
Die Hühner waren vor der Ankunft der Gänse und Enten in einen kleineren Auslauf gebracht worden. Deren neues Heim wurde an einer Seite von einer hohen Akazie beschattet, die in voller Blüte stand. Tara hatte den gesamten Hühnerdung aufgeharkt, um ihn später im Garten als Dünger zu benutzen. Außerdem hatte sie den Boden mit Stroh ausgestreut und frisches Wasser in den Napf gefüllt.
Die drei Frauen sahen zu, wie Ethan die Käfige auslud und dieEnten und Gänse hinausließ. Sie waren unsicher auf den Beinen, und zwei oder drei von ihnen sanken zu Boden.
»Sie werden doch nicht sterben?«, rief Tara alarmiert.
»Sie haben nur einen leichten Hitzschlag«, erklärte Ethan. Dann nahm er je eine Gans und tauchte sie zuerst in den Wassertrog, um sie dann im Schatten abzusetzen. Die beiden Enten ließ er im Trog schwimmen, wo sie die Köpfe ins Wasser steckten und so herumspritzten, dass Hannah laut lachte. Nach ein paar Minuten standen auch die Gänse wieder auf und schüttelten ihre Federn, bevor sie in überaus würdevoller Haltung zu einer Inspektion ihres neuen Heims aufbrachen.
»Ich denke, sie werden alle überleben«, meinte Ethan. »Es war ein langer Weg für sie, und der Zug hatte wieder einmal Verspätung.« Nerida reichte ihm etwas zu trinken, und er leerte das Glas durstig in einem Zug.
»Danke, dass Sie sie für uns geholt haben«, sagte Tara und fügte nach kurzem Durchzählen hinzu: »Wir haben eine Gans mehr bekommen als vereinbart.«
Ethan lachte. »Lester war so froh über den Wein, dass er euch einen Ganter zum Braten oder zum Züchten geschenkt hat.«
»Oh, das ist ja wunderbar!« Tara wandte sich an ihre Tante. »Wir werden ihn als Zuchttier behalten, nicht wahr? Aber grillen wir heute Abend nicht als Festschmaus ein Hühnchen?« Sie hatte seit Tagen nichts anderes gegessen als Brot und Marmelade zum Frühstück und Hammelkoteletts zum Dinner. Hähnchenbraten erschien ihr als willkommene Abwechslung. »Dazu könnten wir ein paar von den Kartoffeln rösten, die ich im Garten gefunden habe.«
»Das ist eine gute Idee«, stimmte Victoria ihr zu. »Ich hätte selbst auch Lust auf etwas anderes als Lammfleisch. Und dann leisten wir uns noch den Luxus, eine Flasche Wein aufzumachen.« Sie runzelte die Stirn. »Sanja wird sich sicher weigern, die Hühner zu schlachten. Er hat zwar keine Probleme damit, sie zu rupfen, aber ich bitte normalerweise Nugget oder Charlie, das›Eigentliche‹ zu erledigen.« Sie fuhr sich mit der Hand waagerecht über die Kehle, um zu verdeutlichen, was sie meinte. »Nur sind die beiden noch nicht zurück.«
»Dann tue ich es eben«, schlug Ethan vor.
»Oh, danke dir! Was täten wir nur ohne dich? Du musst natürlich zum Essen bleiben. Wir schlachten am besten drei und geben eines davon Nugget und den Jungen. Sie essen sicher auch gern einmal etwas anderes als Damper und Hammelkoteletts!«
»Tante Victoria, bitte versuch zu verhindern, dass Sanja auch nur das kleinste bisschen Curry über das Huhn streut!«, bat Tara beschwörend.
Ethan schüttelte amüsiert den Kopf. »Das wird nicht leicht sein!«
»Ich werde schon dafür sorgen«, gab Victoria zurück. »Und wenn ich den ganzen Nachmittag über in der Küche sitzen und ihm auf die Finger schauen muss!«
Sanja würzte die Gerichte inzwischen nicht mehr ganz so scharf, aber noch immer zu stark für Tara. Jack hatte begonnen, ein wenig davon zu essen, was Sanja als Sieg für sich verbuchte, während Hannah ihre Vorliebe für Dhalbrot und Reis entdeckt hatte.
Seit Tara eine Woche zuvor mit der Gartenarbeit begonnen hatte, wurde sie das Gefühl nicht los, dabei von der nahen Baumgruppe aus beobachtet zu
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