Der Ruf des Abendvogels Roman
Mellie und deren Welpen, zum Lager hinübergingen, stellte Tara fest, dass Yani ein wenig Englisch sprach und auch verstand, die anderen beiden Frauen jedoch nicht. In der Nähe des Lagers sah Tara zwei ältere Männer im Schatten eines Baums sitzen. Der eine hatte weiße Haare und einen buschigen weißen Bart. Er war gerade dabei, eine Eidechse auf ein Stück Rinde zu malen. Yani erklärte, er heiße Jabba Jurra. Der andere Mann, Jackie Kantji, war offenbar völlig blind, seine Pupillenhatten eine weißliche Färbung. Tara fiel wieder ein, dass ihre Tante ihr erzählt hatte, viele der Aborigines litten unter einer Augenkrankheit, die zur Erblindung führte.
Es waren auch zwei Mädchen im Lager, die nicht älter sein konnten als zehn oder zwölf Jahre. Yani versuchte, Tara mitzuteilen, dass sie auf ihre ›Ehemänner‹ warteten, die auf die Jagd gegangen seien. Tara glaubte, nicht richtig verstanden zu haben, und dachte, die Mädchen warteten vielleicht auf die Männer, denen sie versprochen waren. In einigen Kulturen war es üblich, junge Mädchen schon vom Zeitpunkt der Geburt an zu verloben. Tara war sich ganz sicher, dass das auch hier der Fall sein musste, bis sie erschrocken feststellte, dass eines der Mädchen schwanger war.
Außerdem liefen mindestens fünf magere Hunde im Lager herum, die überall nach Futter suchten. Sie sahen in Mellie und den Welpen eine Konkurrenz im Kampf um die paar Brocken, die es gab, und knurrten sie böse an. Mellie, die ihre Kinder schützen wollte, knurrte zurück. Jabba Jurra nahm einen Stein und warf ihn nach den Hunden, wobei er Mellie traf. Sie lief winselnd zu den Zwingern zurück, und Tara starrte ihr erschrocken nach. Sie wusste, dass Mellie Tamboras wichtigste Zuchthündin war und dass Tadd außer sich sein würde, wenn ihr etwas zustieß. Sie tadelte Jabba Jurra wegen des Steinwurfs, doch er lächelte nur.
Die Frauen, die sehr gleichmütig wirkten, setzten sich nahe am Feuer auf den Boden und bedeuteten Tara, es ihnen gleichzutun. Tara musste feststellen, dass die Aborigines der Schmutz und der Rauch nicht zu stören schien, während ihre eigenen Augen davon zu tränen begannen. Yani stocherte im Feuer herum und förderte aus der Asche ein Damper-Brot zutage, das außen schwarz wie Ruß war und eher unappetitlich aussah. Doch die Frauen schienen sich sehr darauf zu freuen. Während es auskühlte, kochte Mona Tee aus fremdartigen Blättern, und Mumu reichte die Reste des Abendessens vom Vortag herum, ein Fleisch, das Tara nichteinordnen konnte und das sich zu ihrem Unbehagen an einigen Stellen als halb roh erwies.
»Was ist das?«, fragte sie Yani und schob sich zögernd ein kleines Stück in den Mund, um es zu probieren, dankbar, dass sie keine angesengten Federn darin fand. Es sah aus wie Hühnerfleisch, besaß jedoch einen etwas strengeren Geschmack und war ein wenig trocken. Sie versuchte, nicht an all die Fliegen zu denken, die zweifellos darüber gekrochen waren, denn sie hatte Angst, sich sonst erbrechen zu müssen.
»Perenti«, erklärte Yani strahlend.
»Oh! Was ist Perenti?« Tara dachte, es sei vielleicht ein Aborigines-Wort für Wildtruthahn oder Trappe.
Wieder strahlte Yani sie an. »Perenti Goanna-Eidechse, Missus!«
Tara dachte an den Goanna-Waran, dem sie einige Tage zuvor im Garten begegnet war, und ihr wurde übel. Obwohl er gefährlich ausgesehen hatte, war er in Wirklichkeit sehr scheu und harmlos gewesen. Sie fand den Gedanken abstoßend, dass er für diese Mahlzeit getötet worden war. Sie spuckte das Fleisch in ihre Hand und warf es möglichst unauffällig einem der mageren Hunde zu.
»Ich habe nicht sehr viel Hunger«, sagte sie. »Sicher liegt es an der Hitze. Ein bisschen Damper und Tee reichen mir völlig.« Es kostete sie große Willensanstrengung, ihre Übelkeit niederzukämpfen.
Während sie um das Feuer herumsaßen, wandte sich Jackie Kantji an Tara. Er erzählte ihr, dass weiter nördlich Hunderte von Aborigines an Skorbut starben. Wegen der Trockenheit fehlte es ihnen an natürlicher Nahrung und die Rationen von der Mission enthielten nicht die Nährstoffe, die sie brauchten. Der alte Mann war sehr traurig, denn das Leben, wie er es gekannt hatte, gab es nicht mehr. Tara wusste nicht, was sie ihm antworten sollte.Am späten Nachmittag war der Gemüsegarten so weit vorbereitet, dass gesät werden konnte. Tara war sehr froh, denn ihr schmerzender Rücken hätte kein weiters Graben mehr ausgehalten. Nugget und die Jungen hatten die
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