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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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in einen Bambusstuhl sank und ihr Gesicht mit den Händen bedeckte. Verzweifelt versuchte sie, sich zusammenzunehmen, denn sie wollte nicht riskieren, dass ihre Tante sie so sah und anfing, Fragen zu stellen.
    Nerida kam herauf und blieb eine Weile stumm vor ihr stehen. »Alles in Ordnung, Missus?«, fragte sie dann scheu.
    Tara schüttelte den Kopf und putzte sich die Nase. Sie nahm wahr, wie Nerida mit argwöhnischem Blick zu Tadds Cottage hinübersah, bemerkte jedoch nicht, dass Nugget dasselbe tat. Als das Aborigines-Mädchen sich ihr wieder zuwandte, meinte Tara leise: »Tadd hat zu viele Geheimnisse!«
    Neridas Antwort war fast unhörbar. »Ja, Missus.« Nach einem Blick in Nuggets Richtung senkte sie den Kopf.
    Tara fragte sich, wie viel das Mädchen wissen mochte, obwohl auch das inzwischen schon kaum noch etwas ausmachte. »Unglücklicherweise zerstört er damit jemanden, den ich sehr liebe – meine Tante.«
    Nerida sah sie besorgt an. Tara sah die Unschuld in ihrem Blick, und erst in diesem Moment fiel ihr wieder ein, wie jung Nerida noch war.
    »Gibt es irgendetwas, dass du mir vielleicht sagen möchtest, Nerida?«
    Wieder senkte das Mädchen den Kopf. »Nein, Missus.«
    Tara hatte auch nicht ernsthaft erwartet, dass Nerida etwas sagen würde – sie hatte offensichtlich viel zu große Angst vor Tadd.
    Bevor sie ins Haus ging, beschloss Tara, Victoria nichts von den Bankschulden zu erzählen – zumindest vorläufig nicht. Außerdem würde sie auch Tadd gegenüber nicht zu erkennen geben, dass sie von seinen Geheimnissen wusste. Sie wollte erreichen, dass er sich in Sicherheit wiegte, erst einmal jedenfalls. Sie musste herausfinden, was er vorhatte, was es mit den seltsamen Steinen auf sich hatte und ob sie irgendeinen Wert besaßen. Auch interessierte sie sehr, woher Tadd sie haben mochte.
    Tara säte die Samen im Garten aus und gab ihnen morgens und abends ein wenig Wasser. Obwohl es ihr manchmal sinnlos erschien, lenkte es sie doch von drängenderen Problemen ab, die sie allein nicht lösen konnte. Am dritten Tag sah sie grüne Triebe aus dem Boden ragen, und fühlte eine seltsame Mischung aus Freude und Mutlosigkeit. Sie hatte Zwiebeln, Karotten, Kohl, Saatkartoffeln, Mais und Tomaten gesät, dazu noch einige Samen, die aus unbeschrifteten Tütchen stammten und die sie ›Gemüseüberraschung‹ getauft hatte. Jetzt brauchte sie nur noch einen anständigen Regen und musste einen Goldschatz finden, dann waren alle ihre Sorgen mit einem Schlag zu Ende.
    »Wahrscheinlich tauchen als Nächstes die Heuschrecken auf«, murmelte sie düster.
    Tag und Nacht beobachtete Tara Tadds Bewegungen und stellte rasch fest, dass sie nach einem bestimmten Muster abliefen. Er arbeitete einen oder zwei Tage lang in der Nähe des Hauses, um dann für einen oder zwei Tage zu verschwinden – aber nie mit den anderen Männern. Sie war so wild entschlossen, herauszufinden, wohin er ging, dass sie ihm ein- oder zweimal zu folgen versuchte. Doch er schien es zu ahnen und schüttelte sie ab.
    Außerdem stellte sie fest, dass er plötzlich sein Interesse für die Kinder entdeckt zu haben schien. Er sprach mehr mit ihnen und versuchte ganz offensichtlich, ihr Vertrauen zu gewinnen, besonders das von Jack. Irgendetwas hatte er vor, davon war Tara fest überzeugt.
    Eines Abends stand sie am Zaun des Gemüsegartens, als Ethan zu ihr herübergeschlendert kam.
    »Herzlichen Glückwunsch – Sie haben gute Arbeit geleistet«, sagte er mit einem Blick auf die ordentlichen Reihen gesunder grüner Pflänzchen. Als Tara nicht antwortete, wandte er sich ihr zu und musterte sie forschend. Sie schien in Gedanken meilenweit entfernt. Eine Minute verstrich in tiefem Schweigen. Schließlich meinte Tara: »Ich komme jeden Morgen hier heraus und erwarte, dass irgendein Tier alles aufgefressen hat. Gerade habe ich wieder ein neugieriges Känguru verjagt.«
    Ethan wunderte sich über ihre Niedergeschlagenheit. »Nugget und die Jungen haben eine guten Zaun gebaut.« Er deutete auf Spuren rund um den Gemüsegarten. »In den letzten paar Stunden ist schon ein Wombat hier gewesen, und die Kaninchen haben gegraben, aber der unterirdische Draht hat sie aufgehalten, jedenfalls vorläufig. Die oberen Drähte sehen unversehrt aus, ich denke, die Kängurus haben also noch nicht versucht, darüberzuspringen.«
    »Zu Weihnachten müssten wir eine gute Ernte haben, allerdings nur, wenn die Heuschrecken nicht kommen. Glauben Sie, dass sie kommen, Ethan? Tadd

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