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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Sie wandte sie zu ihr um und musterte sie forschend. Zum zweiten Mal an diesem Morgen hatte sie den Eindruck, dass das Mädchen sehr blass wirkte.
    »Du siehst heute nicht gerade gut aus, Nerida – was ist los?« Tara nahm Hannah in die Arme. Die Kleine schlang ihre Ärmchen ganz fest um Taras Hals und klammerte sich Hilfe suchend fest. »Es ist schon gut, Hannah«, meinte Tara beruhigend. »Die Heuschrecken tun dir nichts!«
    Nerida strich sich über den Bauch. »Mir ist heute Morgen furchtbar übel, Missus!«
    »Dann gehst du am besten zurück uns Bett. Ich sage Sanja, dass er dir etwas Magensalz bringt.«
    »Nein, nein, schon gut!« Nerida nahm Tara die völlig verängstigte Hannah ab und eilte die Treppe hinauf, dicht gefolgt von hüpfenden Insekten.
    Jetzt erschien Victoria oben am Geländer und gleich hinter ihr Jack. »Tara, was ist dort unten los?«, rief sie. »Ich habe Hannah schreien gehört.«
    »Die Heuschrecken haben ihr Angst eingejagt«, rief Tara zurück. »Ich muss versuchen, den Gemüsegarten zu retten!« Plötzlich fiel ihr ein, dass Ethan die Zeltplanen noch nicht herübergebracht hatte, und Panik stieg in ihr auf.
    »Das kannst du nicht, Tara. Und zieh dich lieber an, bevor du irgendetwas tust!«, meinte Victoria, doch Tara schien sie nicht zu hören. Als sie die Haustür öffnete, starrte sie ungläubig auf den Anblick, der sich ihr bot: Im Westen und Nordwesten schien das meist flache, von Sträuchern bewachsene Land lebendig geworden zu sein. So weit das Auge reichte, bewegte sich der Boden auf und ab wie eine rollende Ozeanwelle. Es war das Seltsamste, was Tara je gesehen hatte, und doch auch von eigenartiger Schönheit.
    Entsetzt blickte Tara zu ihrem Gemüsegarten hinüber und betete insgeheim, das Drahtgeflecht vor den unteren Balken werde vielleicht einige der gefräßigen Insekten aufhalten. Sie wusste allerdings, dass es kein dauerhafter Schutz war. »Ich muss etwas tun!«, murmelte sie.
    Sie drehte sich um und eilte nach oben. Auf der Treppe traf sie Jack, der gerade herunterkam, um die Heuschreckenplage mit unverhohlenem Vergnügen zu betrachten. Tara hastete von Raum zu Raum und riss die Laken von den Betten, während Victoria erstaunt das seltsame Treiben ihrer Nichte beobachtete.
    »Ethan hat gesagt, wenn wir die Pflanzen zudecken, können wir sie vielleicht retten«, rief Tara ihrer Tante zu.
    »Du kannst überhaupt nichts tun«, rief Victoria ihr nach. »Du verschwendest nur Zeit und Kraft. Die Heuschrecken sind in ein oder zwei Tagen wieder fort – wir müssen einfach abwarten und hinterher alles wieder aufräumen.«
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich tatenlos zusehe, wie diese Biester meine Gemüsepflanzen fressen, oder?«
    »Tara, glaub mir, du kannst wirklich nichts tun«, wiederholte Victorias eindringlich, die sich um den Geisteszustand ihrer Nichte ernstlich Sorgen machte.
    »Unsinn!«, erwiderte Tara ärgerlich, und Victoria erschrak über ihre Ausdrucksweise. Mit einem Bündel Laken auf beiden Armen ließ Tara die fassungslose Victoria stehen, hastete die Treppen wieder hinunter und zur Haustür hinaus. Sie bemerkte nur im Vorübereilen, dass Jack zusammen mit drei Aborigines-Kindern sowie Mellie und den Welpen Heuschrecken jagte. Die Kinder wollten sich ausschütten vor Lachen und hatten offensichtlich den Spaß ihres Lebens.
    Tara hörte Donnergrollen, als sie versuchte, die Laken über ihre Gemüsepflanzen zu legen, während sie gleichzeitig so viele der hüpfenden Insekten zertrat, wie sie konnte. Sie legte Steine auf die Ecken der Laken, doch inzwischen war ein starker Wind aufgekommen, der den Stoff ebenso rasch wieder hoch wehte, wie sie ihn hinlegte.
    Tara rief nach Jack und Nugget, damit sie ihre halfen, doch niemand antwortete ihr. Am liebsten hätte sie in ihrer ohnmächtigen Verzweiflung laut geschrien, als die Insekten wieder und wieder auf ihr landeten und der aufgewirbelte Staub ihr in Augen und Mund drang. Vor Entsetzen wimmernd pflückte sie die Heuschrecken von den Pflanzen und warf sie so weit fort, wie sie konnte. Wie eine Verrückte mit den Armen um sich schlagend versuchte sie, die Tiere zu treffen, die ihr ins Gesicht klatschten, doch es war alles vergebens. Die jungen Gemüsepflanzen verschwanden buchstäblich vor ihren Augen.
    Als sie sich umwandte, sah sie Ethan am hinteren Ende des Gartens stehen. Er legte übrig gebliebene Zaunbretter auf die Ecken der Zeltplanen, die schwerer waren als die Bettlaken. Unglücklicherweise waren

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