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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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mit ein paar roten Einsprengseln. Tara fand sie sehr schön,doch sie hatte niemals zuvor etwas Ähnliches gesehen. In der anderen Kiste, die größer war als die erste, fand sie noch einige unbearbeitete Steine.
    Rasch stellte sie alles wieder dahin zurück, wo sie es gefunden hatte, und warf einen Blick aus dem Fenster. Nerida stand noch immer an dem Waschtrog nahe der Hintertür des Haupthauses, und die Männer waren dabei, letzte Hand an den Zaun zu legen. Sie wusste, dass Tadd frühestens am späten Nachmittag aus Wombat Creek zurück sein konnte. Sie hatte also noch Zeit genug – doch sie fühlte sich schuldig, weil sie seine persönliche Habe durchsuchte und so tief in seine Privatsphäre eindrang. Doch dann fiel ihr wieder ein, dass Tadd seinerseits die Geldrücklagen ihrer Tante geplündert und das meiste davon ausgegeben hatte, und das offensichtlich, ohne ein schlechtes Gewissen dabei zu haben. Außerdem war da immer noch das Rätsel um den verschwundenen Brief. Von neuer Entschlossenheit erfüllt, schaute Tara unter das Bett und entdeckte einen kleinen Koffer. Darin fand sie Tadds Korrespondenz und verschiedene Papiere wie seine Geburtsurkunde, seinen Pass und Ähnliches. Sie wollte den Koffer gerade wieder zuklappen, als sie einen Umschlag bemerkte, der zwischen Wand und Boden steckte. Sie zog daran, doch er war teilweise unter dem Boden festgeklemmt.
    »Wie ist denn der dahin gekommen?«, murmelte sie verwundert und zog ein wenig stärker. Plötzlich gab der Boden nach, löste sich vom Rand, und sie hielt ihn erschrocken in der Hand. Darunter lagen mindestens zwanzig Briefe, wie sie erstaunt feststellte. Warum mochte Tadd diese unter dem Kofferboden versteckt haben? Als sie den Brief, den sie als ersten herausgenommen hatte, genauer betrachtete, wusste sie die Antwort: Er war an ihre Tante adressiert. Nun fand sie es auch nicht mehr sehr verwunderlich, dass der Absender William Crombie hieß ...
    Tara wurde ganz blass vor Zorn. Ganz offensichtlich hatte Tadd diesen Brief ihrer Tante gestohlen – und sie hatte sich noch kurz zuvor wie eine Kriminelle gefühlt, weil sie in seinenprivaten Sachen herumschnüffelte! Ihre Gedanken überschlugen sich. Warum hatte Tadd Victoria den Brief nicht gegeben? Sie zog die Möglichkeit in Betracht, William Crombie könnte Victorias Anfrage ablehnend beschieden haben. Tadd hatte ihr vielleicht die Enttäuschung ersparen wollen, wie er es angeblich schon öfter getan hatte, aber irgendetwas schien ihr daran nicht ganz glaubwürdig zu sein. Die einzige Methode herauszufinden, ob Tadd Sweeney wirklich der loyale und vertrauenswürdige Angestellter war, der er zu sein vorgab, bestand darin, den Brief zu lesen.
    Tara überflog ihn rasch, und Tränen traten ihr in die Augen. Im Wesentlichen hieß es in dem Schreiben, William Crombie sei sehr erfreut über die Aussicht, mit Victoria Geschäfte zu machen. Er bat sie um eine Wollprobe, die er dem Manager und dem Vorarbeiter der Teppichfabrik zeigen konnte. Er erwartete jedoch keine Probleme und freute sich auf eine lange und harmonische Geschäftsbeziehung. Tara fühlte, wie ihr das Herz sank. William Crombie hatte also all diese Monate über darauf gewartet, dass Victoria ihm die Wollprobe zuschickte! Vielleicht hätten all ihre finanziellen Probleme vermieden werden können – wenn Tadd nur ehrlich zu Victoria gewesen wäre.
    Tara fühlte sich wie benommen. Immer wieder hatte sie an Tadd gezweifelt, ihrem eigenen Gefühl jedoch nicht vertraut. Jetzt tröstete es sie nicht, dass ihr Instinkt sie nicht getrogen hatte. Warum war er so sehr daran interessiert, dass die Farm verkauft wurde? Was hatte er dabei zu gewinnen? Soweit sie es jetzt überblicken konnte, würde Tadd in einem solchen Fall sein Zuhause, seine Stelle als Verwalter und Victoria verlieren – und dieser Preis schien ihr sehr hoch.
    Ihre Benommenheit wich langsam aufsteigender Wut und sogar purem Hass, als Tara in der Hoffnung auf Antworten die Briefe in dem Versteck durchschaute. Sie waren alle an Victoria gerichtet, und die meisten stammten von der Niederlassung der Adelaide-Bank in Leigh Creek. Noch bevor sie die Briefe öffnete,ahnte Tara, dass sie für ihre Tante nur Schlechtes enthalten konnten.
    In dem ersten Umschlag befand sich ein Kontoauszug, und Tara starrte ungläubig auf die fett gedruckte rote Ziffer am Ende der Seite, die Summe, die Victoria der Bank schuldete: mehrere tausend Pfund. Sie fühlte, wie sich alles in ihr verkrampfte, als sie an die

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