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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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würde, wusste sie schon jetzt, dass sie Ethan Hunter niemals mehr so sehen würde wie vorher. Tara schüttelte den Kopf, versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, und kam nach einer kurzen Weile zu einem recht befriedigenden Schluss: »Riordan und meine Mutter müssen so schnell wie möglich wieder abreisen. Damitwären alle Probleme gelöst«, murmelte sie leise und stieg aus der Wanne.
    Als Tara endlich den Salon betrat, war sie überrascht, ihn vollkommen verlassen vorzufinden. Außer den Heuschrecken, die überall auf dem Boden herumhüpften, schien das Haus seltsam still. Auch Nerida war nicht da, ebenso wenig wie die Kinder. Tara sah in allen Zimmern im Erdgeschoss einschließlich Neridas Zimmer nach, doch das Aborigines-Mädchen war nirgends zu finden. Tara versuchte von Sanja zu erfahren, wohin die anderen alle gegangen waren, doch er hatte sich in der Küche verbarrikadiert, um den Heuschrecken zu entkommen. In seiner üblichen unkooperativen Art weigerte er sich, die Tür zu öffnen. Zumindest wusste sie, wo Ethan und Rex sich aufhielten: Die beiden waren zum Schererhaus hinübergegangen, weil Ethan dort ein Bad nehmen wollte.
    Tara ging in den ersten Stock zurück, um Jack und Hannah zu suchen, und eilte gerade am Zimmer ihrer Tante vorüber, als Victoria nach ihr rief.
    Zögernd blieb Tara an der offenen Tür stehen. Ihre Tante saß auf dem Bett, Elsa neben ihr, und sie hatten beide geweint.
    »Da bist du ja, Tara«, sagte Victoria und tupfte sich mit einem Taschentuch die Tränen ab. »Wir haben uns hierher zurückgezogen, um ... den Heuschrecken zu entfliehen.« Sie warf Elsa einen kurzen Blick zu, und Tara nahm an, dass die beiden ihrer Mutter wegen heraufgekommen waren. Die Heuschrecken wären für Victoria kein Problem gewesen.
    Tara bemerkte, dass ihre Tante Schwierigkeiten hatte, sich zu beherrschen, und wieder fiel ihr auf, wie ungewöhnlich verletzlich ihre Mutter wirkte, etwas, das sie nie für möglich gehalten hätte. Sie sah es an Elsas plötzlich rund gewordenen Schultern und in einem leisen Zittern ihrer Lippen. Früher hatte sie immer sehr ruhig und beherrscht gewirkt, sogar in vollkommen chaotischen Situationen. Sie jetzt so zerbrechlich zu sehen, war ein Schock, besonders deshalb, weil Tara ihre ganze Kindheit übergeglaubt hatte, ihre Mutter sei menschlichen Gefühlen gegenüber fast immun.
    Tara trug ein weites Baumwollkleid, doch ihr war immer noch warm. Der Regen und die Hitze hatten dafür gesorgt, dass die Luftfeuchtigkeit extrem gestiegen war. Victoria trug immer lockere, für die Wärme gut geeignete Kleider. Doch Tara bemerkte, dass ihre Mutter in dem schlichten, aber elegant geschnittenen Hosenanzug ziemlich litt, der hier im Outback lächerlich deplatziert wirkte.
    Tara war sich nicht darüber im Klaren, wie jung und unschuldig sie mit ihren nassen Haaren wirkte, die ihr in feuchten, losen Strähnen über den Rücken fielen. Auch konnte sie nicht wissen, wie sehr sie ihre Mutter an glücklichere Zeiten erinnerte, als sie ein junges Mädchen gewesen war, dem die Welt zu Füßen gelegen hatte. Als Elsa an all die inzwischen vergangenen Jahre dachte, konnte sie kaum glauben, dass zwar so viel geschehen war, Tara sich trotzdem aber kaum verändert hatte. Erst, als ihr wieder einfiel, wie sie Tara vor einer Stunde in einer leidenschaftlichen Umarmung mit diesem sehr rau wirkenden Mann gefunden hatte, wurde ihr bewusst, dass ihr ›kleines Mädchen‹ sich durchaus sehr gewandelt hatte. Elsa mochte gar nicht an das Leben denken, das Tara geführt und das offensichtlich ihre Ansichten so dramatisch verändert hatte, dass sie einen so unpassenden Mann attraktiv finden konnte.
    »Komm und setz dich zu uns!«, sagte Victoria leise.
    Tara zögerte. »Ich würde lieber stehen bleiben, Tante Victoria«, erwiderte Tara kühl und sah ihre Mutter an. »Ich frage mich wirklich, warum du hier bist!«
    »Ich wollte dich wiedersehen, und außerdem ...« Elsa blickte Hilfe suchend zu Victoria hinüber, und beide Frauen senkten den Kopf.
    »Ich denke, du solltest nach Irland zurückfahren«, meinte Tara wenig gastfreundlich. Sie sah, dass ihre Tante ihre Haltung nicht gerade guthieß, ja, sie wirkte sogar sehr enttäuscht.
    Tara merkte erst jetzt, dass Riordan draußen auf dem Balkon stand und in den Regen hinausstarrte. Jetzt wandte er sich um, lehnte sich an den bogenförmigen Türrahmen und sah sie an. Auf seinen gut geschnittenen Zügen lag ein seltsamer Ausdruck. Tara fiel auf, dass er schlanker

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