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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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hervor, »das kann ich nicht.«
    Elsa schluckte schwer und nickte dann. »Ich verstehe – es ist wahrscheinlich noch zu früh. Aber vielleicht eines Tages ...« Sie sah Tara hoffnungsvoll an, doch diese senkte den Kopf. Sie wollte nichts versprechen, was sie nicht halten konnte.
    »Wir müssen miteinander reden«, meinte sie, jetzt wieder ganz beherrscht. »Am besten ungestört.« Durch die Türöffnung hindurch sah sie ihre Tante an. »Wir gehen in ein anders Zimmer, eines von denen am Ende des Flures.«
    Victoria nickte. »Ich werde Nerida bitten, uns Tee heraufzubringen.«
    »Ich habe keine Ahnung, wo sie ist«, erwiderte Tara. »Unten konnte ich sie nirgends finden, und Sanja hat sich in der Küche verbarrikadiert.«
    Victoria lächelte schwach. »Er hatte immer schon eine Heidenangst vor Heuschrecken und Käfern.« In dem Jahr, als Sanja aus Indien zu ihnen gekommen war, hatte es eine Invasion von Stinkkäfern gegeben. Wochenlang hatte er die nach Fäulnis riechenden Käfer in den Küchenregalen, Töpfen und Pfannen, inSchubladen, Mehlsäcken, im Reis und sogar zwischen den Teeblättern gefunden. Die Käfer hatten ihn fast um den Verstand gebracht. Seitdem wurde er schon beim kleinsten Anzeichen eines krabbelnden Insekts in der Küche fast verrückt.
    »Geht nur«, meinte Victoria. »Riordan und ich kommen schon allein zurecht.«
    Die beiden Frauen gingen in angespanntem Schweigen den Flur entlang. Als sie bei Hannahs Zimmertür angelangt waren, schaute Tara hinein in der Hoffnung, Nerida zu finden. Hannah saß auf ihrem Bett, von einem großen Laken fast ganz bedeckt, unter dem sie sich anscheinend versteckt hatte. Sie wirkte noch immer verängstigt und suchte mit ihren Blicken den Boden nach Heuschrecken ab. Jack hielt ein offenes Märchenbuch in der Hand – wie es aussah, hatte er seiner Schwester daraus vorgelesen. Tara war sehr gerührt darüber. Trotz seines ansonsten komplizierten Charakters hing er ohne Zweifel mit zärtlicher Liebe an seiner kleinen Schwester.
    »Ich dachte, Nerida wäre vielleicht hier«, meinte Tara.
    »Sie ist fort«, erwiderte Jack düster. Er schien eine Mauer zwischen ihnen zu errichten, wann immer Tara in seiner Nähe war, ohne dass sie wusste, warum.
    »Was meinst du damit, fort – wohin ist sie denn gegangen?«
    »Sie hat nur gesagt, sie muss gehen und ich soll bei Hannah bleiben.«
    Tara war verwirrt. Sie fragte sich, ob Nerida vielleicht ins Lager ihres Stammes gegangen war, um ein Mittel gegen ihre Übelkeit zu holen, vielleicht irgendeines der traditionellen Heilmittel – aber bei diesem Unwetter?
    »Zu wem gehören diese Kinder?«, fragte Elsa, die Tara über die Schultern blickte.
    Überrascht wandte sich Tara zu ihrer Mutter um. Sie hatte, ohne lange darüber nachzudenken, angenommen, dass ihre Tante ihr von Jack und Hannah erzählen würde – doch offensichtlichhatte Victoria nichts dergleichen getan. »Es sind meine Kinder«, erklärte Tara, die mit fast boshafter Freude bemerkte, wie Elsa die beiden fassungslos betrachtete. Dann bedeckte sie mit einer Hand ihren Mund, und ihre Augen wurden feucht vor Rührung. »Deine ... Ich hatte ja keine Ahnung!«
    Tara blieb stumm. Sie hatte eine ablehnende Reaktion erwartet, irgendetwas zwischen angedeutetem Missfallen und völliger Verdammung, aber ihre Mutter wirkte ehrlich bewegt, als sie vergeblich gegen die Tränen kämpfte.
    »Sie sind wunderhübsch, Tara«, flüsterte sie und wirkte plötzlich so verletzlich und überwältigt von ihren Gefühlen, dass Tara fast schwach geworden wäre und ihr die Wahrheit erzählt hätte.
    »Wie alt sind sie?«, fragte Elsa, als sie an Tara vorbei in das Zimmer ging.
    Tara antwortete nicht.
    »Ich bin eure Großmutter«, sagte Elsa zu den Kindern.
    Jack warf Tara einen unschlüssigen Blick zu, als Elsa sich neben ihn auf das Bett setzte. Hannah sah sie ängstlich an und zog sich das Laken über den Kopf.
    Tara riss sich zusammen. Wenn sie jetzt schwach wurde und ihren mühsam errichteten Verteidigungswall aufgab, würde sie wieder verletzt werden. »Mutter!«, sagte sie ernst. »Bitte komm mit mir! Ich muss mit dir reden, und das so schnell wie möglich!« Sie wünschte auf keinen Fall, dass ihre Mutter sich in ihr Leben einmischte, und sie würde nicht zulassen, dass Elsa sich bei den Kindern beliebt machte und zu ihnen eine enge Beziehung aufbaute.
    Elsa sah sie betroffen an. »Ich möchte doch nur meine Enkel kennen lernen!«
    »Aber nicht jetzt«, erwiderte Tara kühl.
    Nach einem

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