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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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einige Hufabdrücke verwirrtschien, die in verschiedene Richtungen wiesen. Dass der Afghane ihre Bemerkung einfach ignorierte, ärgerte sie. Aber um die Suche nicht zu gefährden, hielt sie sich zurück, obwohl sie innerlich immer unruhiger wurde.
    Saladin untersuchte die beiden verschiedenen Abdrücke und zog seine eigenen Schlüsse daraus.
    Tara beobachtete ihn genau. »Woher wissen Sie, welches Jacks Spuren sind?«, fragte sie. »Pferdehufe sind sich doch sehr ähnlich!«
    »Pferd des Jungen trägt weniger Gewicht«, erwiderte Saladin. Es war das erste Mal, dass Tara ihn Englisch sprechen hörte, und es überraschte sie, wie langsam und deutlich er sprach. Auch seine Stimme klang weicher, als sie es sich vorgestellt hatte.
    »Hund folgt Kind«, fügte er noch hinzu.
    Tara erschrak. »Ein Dingo?«
    Der Afghane schüttelte den Kopf.
    »Dann muss es Mellie sein«, sagte Tara leise. Die Tatsache, dass Mellie bei Jack war, tröstete sie ein wenig. Zumindest war er nicht ganz allein.
    Sie gelangten an den Fuß einer hohen Felsklippe, die sich mehr als zehn Meilen weit von Osten nach Westen erstreckte. Saladin hielt sein Kamel an und blickte hinauf.
    »Ist Jack dort hinaufgeklettert?«, fragte Tara besorgt. Die Felsen wirkten steil und gefährlich. Saladins Miene war vollkommen ausdruckslos.
    »Sagen Sie es mir, um Himmels willen!«, rief Tara, die langsam die Geduld verlor. Etwas in ihrem Innern sagte ihr, dass ihnen nur noch wenig Zeit blieb, um Jack zu finden. Saladin blickte auf den felsigen Boden und dann hinauf zum Klippenrand.
    »Glauben Sie, Jack könnte hier hinaufgeklettert sein? Es sieht so gefährlich aus!«
    Saladin schüttelte den Kopf.
    »Oh Jack, wo bist du nur?«, flüsterte Tara und schloss verzweifelt die Augen. Wenn sie wirklich eine seherische Gabe hatte, wieihre Mutter vermutete, dann musste sie doch jetzt wissen, wo Jack zu finden war! Aber sie sah absolut nichts und hätte am liebsten ihre Verzweiflung laut herausgeschrieen.
    »Ich habe offensichtlich nicht das geringste Talent«, murmelte sie und hatte plötzlich das überwältigende Gefühl, Jack genauso nah oder fern zu sein, wie sie es den ganzen Tag über gewesen war. »Jack!«, rief sie und stieg ab, »bist du da oben, Jack?« Dann pfiff sie nach Mellie.
    Tadd Sweeney stand über den alten Minenschacht gebeugt, als er eine Frau rufen hörte und dann den Pfiff vernahm. Er war sicher, dass es nur Tara sein konnte. »Verdammtes neugieriges Weibsbild!«, murmelte er wütend.
    »Mama, hilf mir!«, rief Jack aus der Dunkelheit des Schachtes, und seine Stimme klang merklich schwächer als zuvor. Er meinte, seine richtige Mutter aus den dunklen Tiefen des Ozeans nach ihm greifen zu sehen. Im Lauf der vergangenen Stunde hatten sich seine Gedanken verwirrt. Er glaubte, wieder an Bord des Schiffes zu sein, wo sich die Kabine, die er mit seinem Vater teilte, langsam mit Wasser füllte. Er hatte sich an einer Nische in der Wand des Schachtes festgeklammert, die er mit seinem Messer noch weiter ausgekratzt hatte, doch jetzt verließen ihn langsam die Kräfte, und auch sein Wille wurde schwächer.
    Tadd ging vom Schacht fort bis zum felsigen Rand der Klippe und schaute vorsichtig hinunter. Er erschrak, als er mehr als fünfzig Meter unterhalb Saladin auf dem Kamel erkannte und das gesattelte Pferd sah. Er hörte, wie jemand versuchte, die Klippe hinaufzuklettern, sah Steine hinunterprasseln und wusste, dass es Tara sein musste. Saladin schien auf dem Boden nach Spuren zu suchen, und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie einen Weg nach oben finden würden.
    Tadd kämpfte mit sich: Sollte er den Jungen sterben lassen, oder sollte er ihn retten? Er hatte vorgehabt, ihn ertrinken zu lassen und dann seinen Körper irgendwo weit entfernt in derentgegengesetzten Richtung der Farm abzulegen, um so die Aufmerksamkeit von der Mine abzulenken. Doch dafür war es jetzt zu spät. Wenn Tara zu nahe herankam, würde sie die Mine entdecken, besonders wenn Mellie noch in der Gegend war. Er hatte die Hündin zwar fortgejagt, doch es war durchaus möglich, dass sie nicht zur Farm zurückgelaufen war. Wenn Tara Mellie fand, würde der Hund sie direkt zur Mine und zu Jack führen, und dann war für ihn alles verloren. »Verdammt!«, murmelte er, denn er hatte keine Wahl.
    Rasch ging er zurück zum Schacht und warf ein Seil hinunter. »Binde dir das Seil um!«, rief er gerade so laut, dass nur Jack es hören konnte. Doch der Junge war zu schwach, um zu tun, was er sagte. Jack

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