Der Ruf des Abendvogels Roman
darüber reden und fühlte, dass sie ihm vertrauen konnte. Außerdem brauchte sie in der Sache mit Tadd seine Hilfe, denn allein würde sie nie damit fertig – also hatte er auch ein Recht darauf, die ganze Wahrheit zu erfahren. »Sie sagte, ich hätte ... Zigeunerblut in den Adern. Meine Großmutter und meine Urgroßmutter waren Seherinnen und konnten die Zukunft vorhersagen.«
Ethan wirkte überrascht.
»Bist du jetzt schockiert?«, fragte Tara unsicher.
»Nein, nur verwundert«, gab er zurück. »Aber wenn du diese Gabe hast, dann pflege sie, denn sie kann dir sehr nützlich sein!«
Tara hätte vor Erleichterung weinen mögen. Ethan war wirklich ein außergewöhnlicher Mensch. Sie erkannte, dass sie es nicht ertragen hätte, wenn er auf sie herabgesehen hätte – denn dazu schätzte sie ihn mittlerweile viel zu sehr.
»Im Moment habe ich das ganz starke Gefühl, dass Tadd mir der Kinder wegen Schwierigkeiten machen wird.«
»Vielleicht solltest du versuchen, sie ganz legal zu adoptieren.«
»In dieser Richtung habe ich schon ein paar Schritte unternommen. Tante Victoria wird in Alice Springs mit dem Sohn von Sorrel Windspear sprechen. Er ist Rechtsanwalt, und ich habe sie gebeten, ihn zu fragen, ob eine legale Adoption überhaupt möglich wäre. Vielleicht bin ich schon in großen Schwierigkeiten wegen der Art und Weise, wie ich die Kinder mit mir genommen habe.«
»Ich verstehe auch gar nicht, warum man dir einfach so erlaubt hat, sie mitzunehmen«, meinte Ethan. »Schließlich bist du keine Blutsverwandte. Es wäre doch sicher irgendein offizieller Akt nötig gewesen.«
Mit gesenktem Kopf erklärte Tara: »Ich habe die Behörden getäuscht«, sagte sie kaum hörbar. »Indem ich behauptete, die Mutter der Kinder zu sein. Sie glauben, ich sei Maureen O’Sullivan, und Tara Flynn sei beim Untergang des Schiffes umgekommen.«
Jetzt war Ethan eindeutig erschrocken. Kopfschüttelnd meinte er: »Es ist ein Wunder, dass noch niemand dahinter gekommen ist. Weiß Tadd davon?«
»Ich bin mir nicht sicher. Aber für die Behörden gab es keinen Grund, an dem, was ich sagte, zu zweifeln. Jack hat mitgespielt, und da einige der Toten bis zur Unkenntlichkeit verbrannt waren, haben sie die Identitäten der Überlebenden nicht allzu gründlich prüfen können. Ich musste es tun, Ethan. Jack hatte panische Angst davor, in ein Waisenhaus gesteckt und vielleicht sogar von Hannah getrennt zu werden.«
»Ich verstehe. Es muss schrecklich für ihn gewesen sein. Hoffentlich bringt Victoria bei ihrer Rückkehr gute Nachrichten mit.«
»Da gibt es übrigens noch etwas, das du wissen solltest, Ethan«, meinte Tara. »Tante Victoria hat sich auf eine Zeitungsanzeige gemeldet, in der dazu aufgefordert wird, verwaiste Kinder bei sich aufzunehmen.«
»Warum hat sie das denn getan? Wie will sie die Kinder denn ernähren?«
»Die Regierung hat anscheinend ein neues Programm entwickelt und bezahlt zwei Pfund pro Woche und pro Kind an Leute, die bereit sind, für sie zu sorgen. Die öffentlichen Waisenhäuser sind alle überfüllt. Tante Victoria fand, es sei eine gute Möglichkeit, etwas Geld einzunehmen, und Platz haben wir ja wirklich genug. Lottie sagte mir heute Abend über Funk, dass Victoria ein Telegramm geschickt hat. Tadd muss es abgeholt haben, doch sie glaubte nicht, dass er es mir geben würde.«
»Himmel, dieser Mensch ist uns wirklich eine Menge Erklärungen schuldig! Warum hast du ihn nicht darauf angesprochen?«
»Ich wollte Lottie nicht in Schwierigkeiten bringen, nachdem sie so viel gewagt hatte, um herauszufinden, was er vorhat.«
Jetzt verstand Ethan: Lottie war wirklich eine bemerkenswerte Frau!
»Das Telegramm enthielt eine Warnung, dass jemand kommen wird, um Tambora zu inspizieren und zu prüfen, ob wir ordentliche Unterkünfte stellen können. Ich denke, das wäre eine Möglichkeit für Tadd, mir Schwierigkeiten zu bereiten, und er ist genau in der richtigen Stimmung dazu.«
»Da könntest du Recht haben. Vielleicht solltest du erst einmal fortgehen, Tara?«
Sie schüttelte energisch den Kopf. »Ich kann meine Tante nicht ausgerechnet jetzt im Stich lassen, Ethan! Nugget und die anderen brauchen jede Hilfe, die sie bekommen können. Wir müssen unbedingt den Termin einhalten!«
»Aber du kannst auch nicht riskieren, ins Gefängnis zu gehen. Was würde dann aus Jack und Hannah? Sie sind gerade erst dabei, sich hier einzugewöhnen!«
»Ich weiß. Aber was soll ich tun? Ich will nicht, dass Tadd nach
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