Der Ruf des Abendvogels Roman
da sie sah, dass diese Vorstellung Jack große Freude bereitete, schob sie ihre Bedenken beiseite. »Wenn du vorsichtig bist und genau das tust, was Ethan sagt ...«
Jack nickte, und seine Augen strahlten. Im Vergleich mit dem Tag zuvor, als er noch eine große Last auf seinen jungen Schultern getragen hatte, schien er wie verwandelt. Manchmal huschte noch ein Schatten über seine Züge bei der Erinnerung daran, was Taddihm angetan hatte. Aber es tröstete ihn sehr, dass seine ›Großmutter‹ und Nerida auf Hannah Acht gaben – und dass Tadd, wie Tara ihm gesagt hatte, nicht länger im Haus geduldet wurde. Außerdem hatte Ethan ihm sein Wort gegeben, ihn selbst sowie Hannah und Tara zu beschützen.
Als Tara, Riordan und Jack in der Abenddämmerung nach Hause kamen, meldete sich Lottie über Funk. Zuerst begriff Tara nicht, dass sie es war, denn Lotti versprach mit verstellter Stimme. Tara hatte zwar nur einmal kurz mit Charity gesprochen, doch sie fand, dass es ein wenig nach Ferris’ junger Frau klang, oder so, wie diese sich nach einigen Gläsern von Ferris’ Spezialwein angehört hätte.
»Ich versuche seit drei Stunden, Sie zu erreichen«, sagte die fremde Stimme.
»Oh!« Tara wusste, dass ihre Mutter im ersten Stock gearbeitet hatte, wo sie das Funkgerät nicht hören konnte. Sie wollte gerade fragen, wer die Anruferin war, als diese auch schon hastig fortfuhr: »Der Zug ist heute Nachmittag angekommen, und das ... Paket, nach dem Sie gefragt haben, war auch dabei.«
»Paket?« Tara war einen Augenblick lang verwirrt, und ihr Kopf schmerzte von dem langen Tag in der glühenden Sonne. »Ach, ja, das Paket!« Jetzt begriff sie, dass es Lottie war, und geriet in Panik. Bei dem Paket handelte es sich um die Abgesandten der Behörde. »Bringt Rex sie ... es sofort zu uns heraus? Unseretwegen hat es nämlich keine Eile, verstehen Sie!« Sie waren noch nicht auf diesen Besuch vorbereitet, und sie fragte sich, ob die Gäste wohl auch die Nacht auf der Farm zu verbringen gedachten – was sie nicht hoffte.
»Rex war in der Bar und hat den ganzen Nachmittag über mit Ferris und Percy getrunken. Sie haben die Geburt von Charitys Baby gefeiert.«
»Oh, wie schön! Ist es ein Junge oder ein Mädchen?«
Lottie vergaß in ihrer Aufregung, sich weiter zu verstellen, undsprach mit ihrer normalen Stimme weiter. »Ein Junge, und ich denke, er wird sicher hübsch sein. Sie hat ihn mir noch nicht gezeigt, aber ich habe ein paar kleine Sachen genäht ...«
»Hast du das gehört, Mabel?«, fragte jemand.
»Habe ich. Als ob Ferris’ Frau irgendwas von der annehmen würde ...«
Tara und Lottie blieben eine Weile stumm, beide verlegen. Lottie fühlte sich gedemütigt, und sie tat Tara furchtbar Leid. Am liebsten hätte Tara einen bissigen Kommentar in den Äther geschickt, doch sie sagte sich, dass sie es damit wahrscheinlich nur noch schlimmer gemacht hätte.
»Jedenfalls glaube ich nicht, dass Rex vor morgen früh irgendwohin fährt«, sagte Lottie.
»Oh, sehr gut – sag ihm bitte, dass uns das sehr gut passt. Es hat absolut keine Eile.« Tara konnte es nicht genug hervorheben.
»Das tue ich.«
»Vielen Dank! Ende!« Tara konnte Lotties Schmerz regelrecht fühlen, und heißer Zorn stieg in ihr auf. Sie ging, um die Kinder und ein wenig Gepäck zu holen, und nahm Hannah und Jack dann mit hinüber ins Arbeiterhaus, wo ihre Helfer bereits auf sie warteten.
Am folgenden Morgen stand Elsa sehr früh auf. Alle Muskeln und Knochen in ihrem Körper schmerzten, und sie fühlte sich wie eine alte Frau. In dieser Nacht hatte sie nicht viel mehr als eine Stunde geschlafen. Sie zog eines ihrer schönsten Kleider an, dann weckte sie Nerida, sagte ihr, sie solle aufstehen und ein sauberes Kleid und Schuhe überziehen. Nerida musste ihre breiten Füße förmlich in die Schuhe quetschen und lief demzufolge sehr eigenartig. Ihre Absätze klapperten laut auf den polierten Böden, doch Elsa bestand darauf. Außerdem ließ sie Nerida ein Tuch um ihren Kopf schlingen, um die wilde Haarmähne zu bändigen.
Sanja war immer früh wach. Elsa bat ihn freundlich, Plätzchenzum Tee zu backen, weil sie ›wichtige Gäste‹ erwarte. Um acht Uhr meldete sich Rex über Funk und sagte, er verlasse jetzt mit den Besuchern – einem Mann und einer Frau – die Stadt und werde in etwa zwei Stunden in Tambora sein, wenn alles gut ging.
Elsa war schrecklich nervös. Sie würde mit allem allein zurechtkommen müssen, und es lag an ihr, ob ihnen
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