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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Vielleicht kennt meine Tante ja ihre Schwester. Wie heißt sie denn?«
    »Maureen O’Sullivan«, sagte die Frau.
    Tara fiel beinahe in Ohnmacht.
    »In Port Adelaide hat man mit gesagt, meine Schwester habe mit den Kindern das Zollamt verlassen, und jetzt wollen Sie mir erzählen, sie sei zusammen mit ihrem Mann auf der Emerald Star umgekommen? Woher soll ich wissen, dass das wahr ist?« Moyna Conway saß Tara im Wohnzimmer gegenüber. Ihre Miene spiegelte eher Feindseligkeit als Verzweiflung wider, und doch tupfte sie sich mit einem Tuch unsichtbare Tränen ab.
    »Ich habe Maureens und Michaels Leichen identifiziert«, erklärte Tara mit vor Kummer rauer Stimme. »Sie hatten sich aneinander festgebunden und ... sind ertrunken. Es tut mir sehr Leid, Mrs. Conway. Ich weiß, dass es ein Schock für sie sein muss. Ich war Maureens Kabinengenossin, sie war Jack und Hannah eine wundervolle Mutter und die einzige Freundin, die ich je gehabthatte. Ich habe sie sehr gemocht. Fragen Sie mich ruhig nach Dingen, die Ihnen beweisen würden, dass ich die Wahrheit sage.«
    »Wie können Sie erwarten, dass ich einer Frau glaube, die die Identität meiner Schwester gestohlen hat?«
    Tara fühlte, wie aller Mut sie verließ. »Ich weiß, dass es nicht richtig war – aber die Umstände waren ... sehr außergewöhnlich.«
    Obwohl der Tod ihrer Schwester Moyna Conway betroffen machte, interessierte sie im Grunde nur der finanzielle Gewinn, der für sie dabei herauskommen würde. Wenn sie die Vormundschaft für die Kinder übernahm, würde ihr die Entschädigung für die Opfer des Schiffsunglücks buchstäblich in den Schoß fallen. Beinahe hätte sie die Reise gar nicht unternommen, doch dann hatte ihr Mann sich bei der Arbeit den Rücken gebrochen, und seine liebende Schwester, die Moyna nicht ausstehen konnte, war gekommen, um ihn zu pflegen. Das war eine einmalige Gelegenheit gewesen, und deshalb hatte Moyna ihre Kinder bei Mann und Schwägerin gelassen. Sie dachte an die Zukunft, denn sie wollte nicht in Armut leben und wie eine Sklavin schuften müssen.
    Tara senkte den Kopf. »Moyna, verstehen Sie doch – ich hatte Angst, die Behörden würden Jack und Hannah in ein Waisenhaus stecken und sie voneinander trennen. Jack hatte ebenfalls Angst, und die arme Hannah war vollkommen verwirrt. Ich weiß, dass ich etwas Schlimmes getan habe, aber ich hatte keine Wahl. Ich habe die beiden sehr gern.«
    »Unsinn! Sie sind nur hinter der Entschädigung her, die die Schifffahrtslinie an die Hinterbliebenen der Opfer bezahlt.«
    Tara sah sie verwirrt an, und Victoria war entsetzt.
    Elsa, die hinter Tara stand, legte ihr die Hände auf die Schultern. »Meine Tochter würde niemals so etwas Schreckliches tun«, sagte sie.
    »Das stimmt«, fügte Victoria hinzu. »Von einer Entschädigung haben wir nichts gehört.«
    »Wahrscheinlich steckt ihr alle unter einer Decke«, meinte Moyna und wandte sich dann wieder an Tara. »Ich könnte Sie für das, was Sie getan haben, verhaften lassen!«
    Tara erschrak. »Michael wollte, dass ich mich um die Kinder kümmere, falls ihm etwas passierte.«
    »Oh, tatsächlich? Ich nehme an, Sie haben das schriftlich?«
    »Natürlich nicht, Moyna – dazu war keine Zeit. Das Schiff stand in Flammen und sank. Die Kinder wurden eilig zu mir in das Rettungsboot gesetzt, als es bei ihrem Schwierigkeiten mit dem Herunterlassen gab. Michael blickte mich an ...« Tara sah ihn deutlich vor sich, denn sein Bild hatte sich unauslöschlich in ihre Erinnerung eingebrannt. »Ich kann es nur als ›beschwörend‹ bezeichnen.«
    »Wollen Sie damit sagen, er hat sie nie wirklich gebeten, die Kinder zu nehmen?«
    »Er hat die Worte nicht ausgesprochen, aber das war auch nicht nötig.«
    Moyna sah sie zufrieden an. »Dann haben Sie also angenommen, dass er das gemeint hat. Genauso könnte er sie aber auch beschworen haben, die Kinder zu mir zu bringen.«
    Darauf hatte Tara keine Antwort. Sie war sicher, Michael hätte nicht gewollt, dass die Kinder zu Moyna kamen, ebenso wenig wie Maureen, doch das konnte sie schließlich nicht sagen, ohne Moyna zutiefst zu beleidigen.
    »Die Kinder sollten bei Verwandten aufwachsen«, erklärte Moyna energisch. »Ich nehme sie mit mir zurück nach Irland.«
    Tara erstickte fast an dem trockenen Schluchzen, das in ihr aufstieg. Sie sprang auf und floh tränenüberströmt die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
    Elsa setzte sich Moyna gegenüber in den Sessel. Sie hielt sie mittlerweile für eine kalte,

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