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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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sprangen bereits einfach von dem brennenden Schiff ins Wasser, zu sehr in Panik, um auf einen Platz in einem der Boote zu warten. Man hörte wütende Schreie, weil diejenigen in den Warteschlangen fürchteten, es gebe nicht genügend Plätze. An Deck mussten sich erschreckende Szenen abspielen.
    Hannah klammerte sich schluchzend an Tara, unfähig, das entsetzliche Geschehen zu begreifen. Jack bemühte sich sichtlich um Tapferkeit, doch war ihm deutlich anzumerken, dass er sich große Sorgen um seine Eltern machte, die nun außer Sicht waren.
    Immer mehr Passagiere sprangen über Bord, ungeachtet der Warnrufe der Besatzung, es könnten Haie im Wasser sein.
    Kurz bevor das Boot das Wasser erreichte, stieß es gegen die inzwischen stark geneigte Bordwand des Schiffes. Die Frauen und Kinder schrien entsetzt auf, aus Furcht, in die aufgewühlten Fluten geschleudert zu werden. Als sie endlich auf dem Wasser waren und die Taue gekappt wurden, drang Wasser durch die bei der Kollision mit dem Schiffsrumpf beschädigte Stelle ein. Einer der wenigen Männer im Boot zog sein Pyjamaoberteil und seinHemd aus, stopfte sie in das Leck und setzte sich dann darauf, um es abzudichten.
    Als das Boot sich langsam vom Schiff fort bewegte, mussten sie feststellen, dass keines der Besatzungsmitglieder bei ihnen war und das Kommando hätte übernehmen können. Ein hünenhafter Ire und seine kräftige Frau erklärten sich zwar bereit, die Ruder zu übernehmen. Doch da ein Ruder fehlte, trieb das Boot langsam davon. Andere Überlebende versuchten, sich aus dem Wasser ins Boot zu ziehen, wobei sie es fast zum Kentern brachten. Die Bootsinsassen gerieten in Streit, ob sie den Menschen im Wasser helfen sollten oder nicht. Tara sah, wie die Ladeklappe an der Steuerbordseite des Schiffes geöffnet wurde und die Besatzung hastig die Ladung ins Wasser warf, um das endgültige Sinken der Emerald Star hinauszuzögern. Doch ihre Bemühungen schienen vergebens. Bevor das Schiff sank, würde das Feuer alles verzehrt haben. Tara betete im Stillen, dass bis dahin alle Passagiere von Bord waren. Sie konnte nur ahnen, was mit ihnen geschehen wäre, hätte sie nicht von dem Brand im Packraum Nummer 610 geträumt. Dieser Traum musste eine göttliche Fügung gewesen sein – mit mystischen Kräften konnte er nichts zu tun haben.
    Alles schien plötzlich seltsam unwirklich. Das kleine Boot hatte sich bereits ein großes Stück von der Emerald Star entfernt, als plötzlich eine gewaltige Explosion deren Rumpf erschütterte. Hoch in den Nachthimmel emporschießende Flammen erhellten das Meer in weitem Umkreis. Brennende Trümmer regneten wie ein Feuerwerk herab, und dann legte sich die Emerald Star knackend und ächzend langsam auf die linke Seite. Die Luft strömte gurgelnd aus dem Rumpf des Schiffes, bevor es in der Tiefe verschwand.
    Die Menschen im Wasser und den Rettungsbooten in der Nähe beobachteten entsetzt, wie es versank – danach wurde alles dunkel. Das sinkende Schiff war ein schrecklicher Anblick gewesen, doch es war nichts im Vergleich mit dem, was nun folgte. Tarahatte sich gewünscht, dass die furchtbaren Schreie endlich verstummen sollten, aber die tiefe Stille danach war grausam.
    Von dem sieben Jahre alten Schiff war nichts geblieben als verstreute Trümmer und im Wasser treibende Menschen. Hannah war nicht bewusst, was der Untergang des Schiffes bedeutete, doch Jack liefen die Tränen über die schmutzigen Wangen, während er fassungslos auf den leeren Horizont starrte.
    »Sie sind ganz bestimmt in einem der Boote!«, sagte Tara leise und legte einen Arm um die Schultern der in sich zusammengesunkenen kleinen Gestalt. Doch in Wirklichkeit wusste sie, dass sie die erste Freundin, die sie jemals gehabt hatte, nicht lebend wiedersehen würde. Wie gern hätte sie geglaubt, dass Maureen und Michael noch lebten – doch in ihrem Herzen ahnte sie die Wahrheit.
    Ihre Trauer wurde jedoch rasch von einem anderen Problem verdrängt, das keinen Aufschub duldete: Das Wasser begann jetzt mit alarmierender Geschwindigkeit ins Boot einzudringen, zu schnell, um es mit Schuhen, Hüten oder andern Hilfsmitteln, wieder hinauszuschöpfen. Schon sah man die Lichter von Booten, die auf sie zuhielten. Doch diese waren noch zu weit weg, um Hilfe zu bringen.
    »Warum mussten wir ausgerechnet in Nummer dreizehn landen?«, beklagte sich einer der älteren Männer bei seiner Frau.
    »Immerhin sind wir überhaupt in einem Boot«, gab sie müde zurück.
    »Aber wie lange

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