Der Ruf des Abendvogels Roman
Sie sind es doch sicher daran gewöhnt, schmutzig ...« Sie verstummte, als sie sah, dass sie ihn gekränkt hatte. Plötzlich tat es ihr Leid, und sie verwünschte ihre vorschnelle Zunge. Sie wusste nicht, warum, aber irgendwie brachte Ethan Hunter ihre schlechten Seiten in ihr zum Vorschein. Mehrere Tage in der Hitze ohne ein Bad mussten wirklich schrecklich sein, aber sie brachte es nicht über sich, sich schon wieder bei ihm zu entschuldigen.
»Wenn wir in Tambora ankommen, werden Sie sich wiedernach einem Bad sehnen«, meinte er leichthin. »Fast dreißig Meilen in einem Wagen, durch die Wüste und über staubbedeckte Ebenen, das wird nicht leicht werden.«
Tara sank der Mut. Während Saladin Wasser in die Wanne goss, folgte Tara Ethan durch das Gebäude.
»Ob Sie es glauben oder nicht, das Hotel ist im Outback eine richtige Attraktion geworden«, erklärte er.
»Das spricht nicht gerade für das Outback«, erwiderte Tara. Sie konnte sich nicht vorstellen, warum jemand den Wunsch haben sollte, ausgerechnet eine kleine Stadt in der Wüste zu besuchen. Für sie waren Marree und Wombat Creek nichts als kleine Zughaltepunkte auf dem Weg nach Alice Springs. In ihren Augen gab es hier nichts, das Besucher hätte anziehen können, nur Staub und Fliegen, unerträgliche Hitze und noch mehr Fliegen.
Sie sah, dass Jack wieder hinausging, um die Kamele anzusehen, und Hannah folgte ihm. Tara ging hinter ihnen her und rief ihnen zu, sie sollten Acht geben und Abstand halten, falls eines der Tiere nach ihnen beißen oder treten wollte. Saladin holte ganz in der Nähe Wasser aus dem Brunnen, doch sie wollte ihn nicht bitten, ein Auge auf die Kinder zu haben. Er hatte anscheinend beschlossen, sie konsequent zu übersehen.
»Uns passiert schon nichts!«, sagte Jack ungeduldig. Er konnte es nicht leiden, wenn Tara sich um ihn sorgte; seiner Mutter hatte er das allerdings nie übel genommen hatte. Seit ihrem sehr vertraulichen Gespräch auf dem Bahnhof von Port Adelaide hatte er sich nicht wieder von ihr trösten oder in den Arm nehmen lassen, sondern hielt sie immer ein Stück auf Abstand. Da Saladin in Hörweite war, erwiderte sie nichts auf Jacks Bemerkung.
Ethan streckte den Kopf aus der Tür, um seinem Mitarbeiter in einer fremden Sprache weitere Anweisungen zu geben. Saladin hörte ihm aufmerksam zu, doch nicht ohne Tara einen weiteren finsteren Blick zuzuwerfen.
»Seien Sie unbesorgt«, meinte Ethan, als sie wieder hineingingen, »er gibt gut auf sie Acht.«
Seine Versicherungen trugen zwar nicht unbedingt dazu bei, ihre Ängste zu beschwichtigen, doch sie schwieg. Sie ahnte, dass Saladin sich herzlich wenig daraus machte, was aus ihnen wurde. Außerdem war er jetzt dabei, die Badewanne mit Wasser zu füllen.
Als Tara den Schankraum betrat, der normalerweise eine reine Männerbastion war, konnte sie ihre Überraschung nur schwer verbergen. Der ganze Raum war voller Erinnerungsstücke, die Reisende hier zurückgelassen hatten: Hüte, Stiefel, Fotografien von Menschen auf den umliegenden Farmen, Scherer, Viehtreiber, Aborigines, und sogar Kleidungsstücke. Die Wände waren großflächig bemalt. Tara dachte an die Gasthäuser in Irland, die ebenfalls warm und einladend wirkten, doch nicht annähernd so persönlich. Die Bar war lang, die Hocker mit den Sitzflächen nach unten darauf gestellt, und auf dem schmutzigen Boden krabbelten Käfer herum. An einer Seite der Bar war für die Damen eine kleine Ecke vom übrigen Raum abgetrennt worden, die sich ›Ladies Lounge‹ nannte. Darin standen ein altes Sofa, einige wackelige Stühle und ein kleiner Tisch. Das Ganze wirkte nicht eben einladend.
»Einige der besten Künstler kommen aus dem Busch«, erklärte Ethan mit Stolz in der Stimme, während er auf die Wandgemälde wies. Er deutete auf ein Foto an einem mit zerfledderten Zetteln bedeckten Notizbord, das einen einheimischen Viehtreiber zeigt. »Das ist Nugget, ein Arbeiter auf Tambora. Er hat die meisten dieser Bilder gemalt.«
Nugget war um die fünfzig Jahre alt, und trotz seines Lächelns wirkte er auf dem Bild sehr schüchtern, so als habe die Kamera ihn verlegen gemacht. Tara stellte ihn sich als stillen, bescheidenen Menschen vor.
»Er ist sehr begabt«, stimmte sie Ethans Worten zu. Die Arbeiten waren wirklich sehr gut, doch die Bilder erinnerten sie an Garvie, und einen Augenblick lang überkam Tara tiefe Traurigkeit. Wenn er doch seine Begabung nur ernster genommen hätte! AlsKünstler hätte er sehr
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