Der Ruf des Abendvogels Roman
anderes.«
Ethan blickte sie verständnislos an, und Jack wirkte sehr enttäuscht.
»Es gibt doch sicher irgendjemanden in der Stadt, der uns ein Pferd oder einen Esel leihen kann?«
Ethan schüttelte energisch den Kopf. »Auf den Farmen gibt es natürlich Pferde, aber ich habe Ihnen doch schon gesagt, hier in der Stadt werden sie nicht gebraucht. Die beiden Minenarbeiter aus Wombat Creek verladen ihre Pferde auf den Zug nach Alice, um dann von dort aus zu den Minen zu reiten. Aber einen Esel habe ich hier schon jahrelang nicht mehr zu Gesicht bekommen.«
Tara meinte, eine Anspielung auf ihre irische Herkunft aus seinen Worten klingen zu hören. »Auf einem Kamel reite ich jedenfalls nicht. Ich warte einfach, bis jemand von Tambora in die Stadt kommt.«
»Da müssen Sie vielleicht lange warten.«
Obwohl die Aussicht, in Wombat Creek festzusitzen, ziemlich unerträglich war, blieb Tara dabei. Auf ihren Zügen malte sich Entschlossenheit. »Haben Sie nicht gesagt, dass die Farmer aus dem Busch hierher kommen, um Vorräte zu kaufen, wenn Sie sie nicht beliefern?«
»Ja, aber nicht unbedingt von Tambora. Es hängt auch davon ab, womit sie auf den Farmen gerade beschäftigt sind. Wenn sie gerade die Herden zusammentreiben und ihr Vieh zählen, sehen wir sie hier manchmal wochenlang nicht. Wenn sie in der Schafschur sind, kann es auch Wochen dauern. Aber wie auch immer, sie bringen jedenfalls keine Ersatzpferde mit.« Ethan wurde es langsam müde. Tara war wirklich eine eigensinnige Frau! »Ich habe einen zweirädrigen Buggy hinter dem Hotel stehen, den dieKamele ziehen können«, sagte er. »Wenn der Zug nicht durchkommt, benutze ich ihn manchmal, um Passagiere zu transportieren. Er muss ein bisschen instand gesetzt werden und ist reichlich groß für drei Personen, aber wenn Sie Layla wirklich nicht reiten wollen ...«
»Ich möchte aber nicht in einem Wagen gefahren werden«, meinte Jack missmutig. »Das ist was für kleine Mädchen!«
Tara spürte, wie gekränkt er war. »Ich bin noch nie auf einem Kamel geritten, Jack«, meinte sie leise. »Ich habe Angst, dass Hannah herunterfällt ...« Sie warb um sein Verständnis, doch Jack wandte sich mit finsterer Miene ab.
Ethan nickte, doch etwas in seiner Art ließ erkennen, dass er ihre Ängste für grundlos hielt. Er begann, dem Jungen die Namen der anderen Kamele zu nennen, aber Tara sah, dass Jack sehr enttäuscht war, und fühlte sich schrecklich. Trotzdem, und obwohl sie normalerweise sehr mutig war, konnte sie den Gedanken daran, auf ein Kamel zu steigen, nicht ertragen.
»Das hier sind Udo, Mosi, Lilit, Maat, und die Jüngste heißt Oma. Sie ist zweieinhalb Jahre alt und eine Tochter von Hannibal und Maat.«
Jack vergaß seinen Kummer und war augenblicklich begeistert von der jüngsten der sieben Stuten.
»Vielleicht würdest du gern Maat reiten?«, schlug Ethan vor. »Oma bleibt immer nah bei ihrer Mutter.«
Jack nickte selig, und seine Miene hellte sich sichtlich auf.
Ethan stellte den Postsack und die Küken in den Schatten des kleinen Ladens, bevor er Tara und die Kinder ins Wombat-Creek-Hotel mitnahm, das sie durch die Hintertür betraten.
»Ferris scheint gerade draußen zu sein, um seine Fallen zu kontrollieren«, meinte er, als sie den Hauptflur entlanggingen, von dem aus man in leere Räume sehen konnte.
»Fallen?« Tara stellte sich vor, wie der Hotelbesitzer wilden Tieren nachstellte, und auch Jack wirkte einigermaßen erschrocken.
»Er stellte Kaninchenfallen auf. Kaninchen sind hier eine großePlage, denn sie fressen nicht nur das bisschen Grünfutter ab, das es gibt; die Rinder treten im Dunklen auch noch in ihre Löcher, verletzten sich und sind so eine leichte Beute für die Dingos. Ferris verkauft die Felle, die ihm ein zusätzliches Einkommen bringen, und das Fleisch ist wegen der Lebensmittelknappheit sehr beliebt. Kaninchengulasch steht immer auf der Speisekarte des Hotels, und seit Beginn der Wirtschaftskrise ist es oft das einzige Gericht, das angeboten wird. Manchmal bringen Farmer ein paar Schafe mit, dann gibt es gegrillte Hammelkoteletts. Eine Zeit lang hat Ferris öfter Wombatfleisch gekocht, aber das ist nicht nach jedermanns Geschmack.«
»Wer kümmert sich um das Hotel, wenn der Besitzer unterwegs ist?«
Ethan sah sie verwirrt an. »Niemand. Vor dem Wochenende, wenn die Farmer mit ihren Familien in die Stadt kommen, erwartet er keine Gäste. Wenn Schafscherer oder Viehtreiber kommen, weiß er immer davon. Percy
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