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Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimee Agresti
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allem rächen wollen. Ich wollte nicht, dass so etwas passierte. Lance kam mir so weit weg vor, als würde er nicht mehr mir gehören. Und jetzt kam mir plötzlich wieder all das Schöne in den Sinn. Unsere gemeinsame Flucht aus den Flammen im Lexington und der anschließende Kuss in der Gasse, als uns klar wurde, dass wir überlebt hatten. Oder selbst unsere Zeit hier, bevor dieser Ort uns mit all seiner Wildheit in seinen Bann gezogen hatte. Ich konnte einfach nicht begreifen, wie oder wann wir uns so auseinandergelebt hatten. Deshalb wünschte ich, ich hätte ihn gefragt, aber wie sollte man so eine Frage bloß stellen? Und bringt das überhaupt irgendwas, wenn die Antwort ja doch nichts ändert?
    Aber so viel war mir klar: Wenn er mich nicht wollte, dann wollte ich ihn auch nicht. Ich hatte es doch verdient, dass man mich wollte, oder etwa nicht? Ich würde niemanden dazu überreden, in mich verliebt zu sein. So weh es auch tat, dafür war ich viel zu stolz. Und ich konnte es mir in diesem Moment wirklich nicht leisten, in irgendeiner Hinsicht Schwäche zu zeigen. Ich musste stark sein, einfach nur, um zu überleben. Damit meine Seele in Sicherheit war, musste ich zunächst mein Herz und meinen Verstand schützen.
    Und deshalb würde ich eben stark sein. Ich würde Lance und diese ganze Geschichte irgendwo tief in meinem Inneren wegsperren. Ich musste jetzt einfach hellwach und quicklebendig sein, um Zeuge dessen zu werden, was sich in dieser furchtbaren Nacht auch immer vor uns abspielen würde.

21
    Der erste Seelenfang von vielen
    P ünktlich um Mitternacht waren unter uns die ersten Anzeichen von Aktivität zu erkennen: Schritte ertönten, sanft wie fallender Regen. Wir hatten uns gegen das Podest gelehnt und setzten uns nun auf, achteten ganz genau auf jeden Laut, jede Bewegung, obwohl das meiste ja im Schutze der Dunkelheit vor sich ging.
    Innerhalb von Minuten strömten sie aus allen Richtungen herbei. Einige sprangen über die Friedhofsmauer und sanken auf der Innenseite elegant zu Boden. Aber viele andere krochen aus den Gräbern hervor. Ich hörte, wie langsam Stein auf Stein kratzte, und spürte unter uns ein leichtes Vibrieren. Verwirrt sah ich zu Lance hinüber, der mich ähnlich erstaunt ansah. Ein paar Sekunden später entdeckte ich einen von ihnen direkt unter uns: Er war aus dieser Gruft gekommen. Mich durchfuhr ein Schauder.
    Es kamen mindestens zwei Dutzend von ihnen heran, lautlos schwebten sie über den Rasenplatz, als kenne jeder hier seine Rolle und führe sie mühelos aus, wie die Rädchen eines perfekt geölten Getriebes. Ihre Schuhe ließen sie in fein säuberlichen Reihen wie akkurat geparkte Autos stehen. Dann schälten sie sich aus ihrer Straßenkleidung, bis die Frauen entweder weiße Kleider – von langen, wallenden bis hin zu zarten kurzen Modellen – oder Trägershirts und Unterhemden mit Röcken trugen. Die Männer hatten weiße T-Shirts und Leinenhosen an. Jeder Einzelne verbreitete mit seinem Look eine Art Strand-Feeling, das von Lässigkeit und Freiheit zeugte. Ein Schimmern ging von der Gruppe aus, ihre Kleider schienen das wenige Licht aufzufangen und verstärkt zu reflektieren. Zwei Männer breiteten ein gewebtes Tuch aus, das tausend leuchtende Farben vereinte und selbst in dieser Finsternis glitzerte. Es war etwa so groß wie ein Tennisplatz und füllte fast die ganze Rasenfläche aus. Barfüßige Mädchen in sich bauschenden Röcken und über dem Bauchnabel geknoteten Trägershirts stellten an allen vier Seiten Kerzen auf, so dass die ganze Oberfläche nun von tanzenden Flammen eingefasst war.
    Aus der Dunkelheit ertönten Trommeln und dann ein langes, leises Summen, so sanft, dass ich zuerst dachte, ich hätte es mir nur eingebildet, bis es lauter, stärker, kehliger erklang und der Takt kräftiger geschlagen wurde. Unter uns standen alle reglos rund um das Tuch, bis sie langsam anfingen, sich zu wiegen, die Hände hoben und das Summen zu einem Singsang wurde, wenn auch in einer Sprache, die ich noch nie gehört hatte. In der Ferne ertönte jetzt eine weitere Trommel, und die beiden Instrumente schienen nun einen Dialog zu führen. Nach und nach wandten sich alle zu dieser neuen Trommel um. Lance und ich reckten den Hals, um zu sehen, woher ihr Klang stammte.
    Der Mann mit der Trommel stand neben einer großen, eckigen Gruft ganz am Ende des Friedhofs, von der aus ein Pfad direkt zum Versammlungsort führte. Es war eines der Grabmäler, die ich in letzter Zeit

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