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Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimee Agresti
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gestrichen hatte. Ganz langsam öffnete sich das vordere Tor, und eine Figur in einem Umhang erschien. Das bodenlange Cape erlaubte nur einen Blick auf ihre zarten weißen Hände und Füße, obwohl es so hauchdünn war, dass man darunter ein knielanges schwarzes Unterkleid erkennen konnte. Eine Kapuze verdeckte Kopf und Gesicht. Von den Trommelschlägen begleitet glitt sie zu der Stelle, an der alle auf sie warteten und ihr zum Willkommen den Gesang darbrachten. Je näher sie kam, desto schneller wurde der Rhythmus des Liedes. Sie erreichte die Gruppe, und diejenigen, auf die sie nun zuging, öffneten den Kreis im Gleichtakt, so als würde sich ein Tor öffnen. Dabei wiegten sie sich immerzu, klatschten in die Hände und schwenkten die Arme in der Luft. Der Gesang verstummte keinen Augenblick.
    Mit ätherischen Bewegungen trat die Figur durch die Öffnung und auf das von Kerzen erhellte Tuch. Das menschliche Tor fiel hinter ihr zu, und die Kette der nächtlichen Friedhofsbesucher schloss sich wieder, als die Frau ihren Platz mitten auf dem bunten Stoff einnahm. Sobald sie stehen blieb, begannen die abstrakten Muster der seidigen Decke rot zu glühen und verwandelten sich dann in ein riesiges Pentagramm um sie herum. Jetzt sah es aus, als sei Glut aus dem Boden aufgestiegen und habe das Symbol in das Tuch gebrannt.
    Der Trommler gesellte sich zur singenden Gruppe hinzu, und die Frau hob langsam die Arme gen Himmel, als sei sie die Dirigentin dieser vereinten Stimmen. Ein paar Sekunden stand sie wie angewurzelt da, und schließlich begann sie langsam, sich um ihre eigene Achse zu drehen, fuhr dann immer schneller und schneller herum, bis sie endlich aus der Kreiselbewegung ausbrach und zu tanzen begann. Die Lagen ihres wallenden Umhangs folgten ihren Bewegungen wie ein Schatten, während sie mit Sprüngen und Drehungen den kompletten Bereich durchquerte, ihn mit ihrem Tanz erfüllte. Ihre Arme glitten in weit ausholenden, eleganten Bewegungen durch die Luft, sie warf die Beine in die Höhe und ließ sie wieder herabsausen. Ich konnte den Blick nicht abwenden. Plötzlich war ich mir nichts anderem mehr bewusst, bis ich irgendwann das Stechen meiner Narben nicht länger ignorieren konnte. Von Zeit zu Zeit ließ es einen Moment nach, nur um sich dann wieder wie eine Welle über meine Brust zu ergießen. Ich berührte die Stelle über meinem Herzen und tastete dann nach meiner Kette mit den Anhängern, als würde der Schmerz gelindert, wenn ich mich an diesen Amuletten festhielt.
    Die Mitglieder der Gruppe steigerten sich nach und nach in einen rauschhaften Gesang hinein, zu dem sie klatschten und mit den Füßen stampften. Die Frau mit der Kapuze begann nun wieder, sich im Kreis zu drehen, und hielt dann auf der Mitte des Tuches genauso abrupt inne, wie im selben Moment die Musik verstummte. Die Stille breitete sich so plötzlich aus, dass mein Herz einen Satz machte. Ich hatte das Gefühl, dass ich hier getanzt hatte und erst einmal wieder zu Atem kommen musste. So mussten es wohl auch die Menschen unten auf dem Rasen empfinden, als hätte diese Frau in ihnen etwas berührt und würde die Dinge nun an ihrer Stelle erleben, als würde sie durch ihre Bewegungen alle mit sich auf die Reise nehmen.
    Irgendwie war ihr Umhang dabei die ganze Zeit nicht verrutscht, und die Kapuze hatte nie ihr Gesicht enthüllt. Jetzt löste die Gestalt jedoch sorgsam die Bänder unter dem Kinn und streckte die Arme seitlich aus. Obwohl sie ohne ein Wort einfach nur dastand, traten nun zwei Frauen vor. Sie stellten sich rechts und links neben sie, zogen sanft die Kapuze zurück, streiften dann das ganze Cape ab und nahmen es mit.
    Die Figur in der Mitte war Clio, barfuß stand sie in einem schmalgeschnittenen Kleid da und betrachtete ihre Untergebenen. Das Licht wurde auf ihrer Haut glitzernd reflektiert. Nun sagte sie etwas, das ich nicht verstand, und reckte denen im Kreis die Arme entgegen. Ich bemerkte, dass die Lilien-Tätowierung an ihrem Handgelenk wie das Pentagramm am Boden hell, blutrot leuchtete, als sei sie ihr gerade mit einem glühenden Eisen eingebrannt worden. Die ganze Gruppe antwortete mit einer geheimnisvollen Parole. Wie aufs Stichwort traten einige der Anwesenden vor, stellten Keramikschüsseln und Urnen jeder Größe und Form kreisförmig um Clio auf und ließen sich dann zu ihren Füßen nieder. Ich hatte keine Ahnung, wann sie die geholt hatten, doch es musste passiert sein, während ich ihrer Anführerin wie gebannt

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