Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
beeindruckt. Keine Ahnung, ob ich den Unterschied zwischen dem Gift, das man uns eingeflößt hatte, und einer ganz normalen Alkohol- oder Lebensmittelvergiftung erkannt hätte.
»Okay, ich wollte nur sichergehen.«
»Hör mal, ich bin kein schlechter Mensch«, sagte sie auf einmal. Damit hatte ich nicht gerechnet.
»Das weiß ich doch.« Ich lachte. »Natürlich nicht. Es tut mir nur leid, dass es dir so schlecht geht.«
»Na ja, manchmal muss man eben Dampf ablassen.«
»Sicher.« Keine Ahnung, wo das auf einmal herkam. Aber daran würde sie sich ja morgen früh sowieso nicht mehr erinnern.
»Hast du denn nie so einen Abend?«, fragte sie mit kläglichem Unterton.
Die Antwort lautete natürlich nein, ob man das nun positiv auffassen wollte oder nicht. Aber ich dachte darüber lieber noch ein bisschen länger nach, während ich mich anzog. »Na ja, man könnte es durchaus als Charakterschwäche meinerseits auffassen, dass ich eben nicht genug solcher Abende habe. Vielleicht bin ich deshalb … seltsam.« Ich war ehrlich. Dazuzugehören war nie meine Stärke gewesen, aber daran war ich inzwischen gewöhnt.
»Lance hält dich für absolut perfekt.« So wie sie es sagte, klang das nicht wie ein Kompliment.
Ich erstarrte. Und drehte mich zu ihr um. »Was meinst du damit?«
»Er hält dich für perfekt. Das hat er zumindest gesagt«, fuhr sie schläfrig fort. »Er glaubt, dass du manchmal zu hart zu dir selbst bist.«
Ich hätte gern mehr gehört, aber ich wollte Sabine gegenüber nur ungern zeigen, wie wichtig es mir war, was Lance über mich dachte. »Du bist ja verrückt«, erwiderte ich deshalb mit einem Lächeln. »Und jetzt schlaf ein bisschen, okay?« Ich suchte meine Sachen zusammen, um mir die Zähne putzen zu gehen, und war schon fast zur Tür hinaus, als sie einen abgrundtiefen Seufzer ausstieß.
»Brauchst du manchmal nicht auch eine Pause?« Ihr Ton war jetzt sanfter geworden. »Um das alles einfach zu vergessen?« Ich wusste, dass sie über uns im weiteren Sinne sprach, darüber, was wir waren und welche Geheimnisse wir teilten. »Wird dir das, was da auf unseren Schultern lastet, nicht auch manchmal zu viel? Ich weiß einfach nicht, warum man uns das aufgebürdet hat.« Sie klang bedrückt. Ich schloss die Tür und setzte mich neben ihrem Bett auf den Fußboden.
»Das weiß ich doch auch nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass es um mich geschehen ist, wenn ich auch nur für einen Moment nicht aufpasse. Es kommt mir so vor, als würde ich ständig im Fadenkreuz stehen. Als wäre es meine Pflicht, immer auf der Hut und zu allem bereit zu sein.« Spaß war ein Luxus, der mir nicht vergönnt war, zumindest nicht in größeren Mengen.
»Aber das macht mich einfach fix und fertig.« Ihr lebloser Arm baumelte über die Bettkante. »Warum bist du denn nicht ständig k.o.?«
»Das bin ich, glaub mir.« Ich schüttelte den Kopf. Darüber mit einem anderen Menschen reden zu können, abgesehen von Dante und Lance, war mir wirklich ein Trost.
Langsam schlossen sich ihre schweren Lider: »Ich bin so müde …«
»Gut, dann schlaf jetzt.« Ich schob ihren Arm wieder ins Bett und machte das Licht aus.
Als ich mich endlich auch unter die Decke schob und darauf wartete, dass mich der Schlaf übermannte, kam es mir plötzlich in den Sinn, einen Blick auf das Handy zu werfen. Ich griff in meine Tasche, die auf dem Boden lag, suchte darin herum und zog schließlich das Telefon hervor. Eine neue Nachricht erschien, die heute Abend kurz nach zehn angekommen war.
Morgen wirst du wieder mit dem Training beginnen. Bereite dich auf Unerwartetes vor, vertrau aber auf den Nutzen unorthodoxer Methoden.
Diese wenigen Worte lagen mir schwer im Magen. Ich war so in düsteren Gedanken versunken, dass ich beinahe das Licht im Haus nebenan verpasst hätte – das heute Nacht nur ganz kurz aufflackerte und wieder verlosch.
9
Tut mir leid, aber das musste sein
D as unbarmherzige Hämmern an der Tür ließ einfach nicht nach. Es brachte die Wand, den ganzen Raum zum Erzittern und hallte selbst in meinem Schädel nach. Ich erwartete fast, die Augen aufzumachen und mich im Lexington Hotel wiederzufinden, wo so viele Albträume und noch schlimmere allzu wahre Ereignisse auf diese Art und Weise begonnen hatten. Aber dieses Mal stand da wirklich jemand vor unserer Tür.
»Aufstehen!«, ertönte die Stimme, die immer wieder von einem Bumm, Bumm, Bumm unterbrochen wurde. Ich schoss im Bett hoch. Sabine stöhnte nur und drehte
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