Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
diese ganze Sache mit dem, na ja, dem Ankauf von Seelen gewesen wäre.« Ich empfand es sogar als ganz tröstlich, darüber reden zu können. Vielleicht würde ich mich ja irgendwann daran gewöhnen, solche Dinge mit anderen zu teilen, sagte ich mir selbst. »Wir haben in einem Hotel gearbeitet.«
»Echt cool«, bemerkte Sabine tonlos. Über ihre eigene Erfahrung erzählte sie nichts. Dann wurde sie aber schnell wieder munter: »Da hast du dir übrigens einen tollen Typen geangelt.« Sie deutete auf Lance, der gerade hereinkam. Dann hüpfte sie von der Arbeitsplatte und nahm sich einen Teller mit Connors Pfannkuchen.
»Ja, er ist ganz okay«, witzelte ich und wurde rot.
»Danke für deine Hilfe gestern«, sagte sie und drückte Lance auf dem Weg zum Esstisch ein rasches Küsschen auf die Wange.
»Immer gern«, antwortete er schüchtern. Ich lächelte nur und versuchte das Gefühl in meiner Magengrube zu unterdrücken. Sabine hatte längst neben Brody Platz genommen und plauderte lachend mit ihm. Kaum zu glauben, dass es sich hier um dasselbe Mädchen handelte, das gestern so fix und fertig gewesen war.
Als langsam auch die letzten Langschläfer zum Frühstück eintrudelten, überredeten wir Emma und Jimmy, für uns was zu spielen. Im Wohnzimmer lehnte eine Gitarre in der Ecke, und Jimmy fing zu spielen und zu singen an. Er wirkte wie ein ganz anderer Mensch, als er über die Saiten strich und eine melancholische Melodie anstimmte, dann fiel Emma mit zarter und zugleich voller Stimme ein. Sie sangen einen bekannten Song aus den Achtzigern, in dem es darum ging, zu lieben und verlassen zu werden. Ich merkte, dass ich während des kleinen Konzerts in Gedanken abschweifte, in die Vergangenheit reiste, und ich brauchte einen Moment, um überhaupt mitzukriegen, dass sie längst fertig waren, und in den Applaus der Gruppe mit einzufallen.
Nachdem alle gegessen hatten und angezogen waren, verkündete Connor, dass wir den Nachmittag mit noch mehr Schwebetraining beginnen und dann auf die Zypressen klettern und von den höchsten Ästen runterspringen würden, wozu er erklärte: »Ihr werdet euch dabei nicht verletzen, aber ihr müsst trotzdem lernen, auf den Füßen zu landen. Und die Leiter der Hütte ist auch tabu, ich möchte, dass ihr alle von der Veranda springt. Ihr müsst jede Gelegenheit zum Trainieren nutzen.«
Ich sah zu Lance rüber, der meine Gedanken zu lesen schien und bereits die Entfernung zum Boden kalkulierte: »Sechs Meter.« Er zuckte mit den Achseln, als sei das keine große Sache.
Und dann ertönte der Schrei.
Emma hatte gerade die Tür geöffnet. Ich fragte mich, ob sie vielleicht von der Veranda gefallen war, aber sie stand immer noch da, an der Spitze der Gruppe. Wir strömten hinaus und umringten sie, Connor eilte an ihre Seite.
Ich schob mich an den anderen vorbei und entdeckte dann auf dem abgenutzten, splittrigen Holzfußboden der Veranda ein Paar mit Blut aufgemalte Engelsflügel.
Auf dem Weg zurück waren im Minibus viele ernste Gesichter zu sehen. Wahrscheinlich ging allen das Gleiche durch den Kopf. Von Zeit zu Zeit rief jemand Connor eine Frage zu, meistens war es aber eine von denen, die wir im Laufe des Nachmittags schon zehnmal gestellt hatten. Wir brauchten einfach die Bestätigung.
»Wenn sie doch wussten, wer wir sind, warum haben sie uns dann nicht gleich an Ort und Stelle angegriffen?«, meldete sich irgendwann Dante zu Wort.
»So funktioniert das eben nicht. Die Jagd macht für sie den Reiz aus«, erklärte Connor. Ich konnte im Rückspiegel sehen, wie er die Stirn runzelte. »Und wir sollten uns auch nicht unter Wert verkaufen. Ihr seid nämlich eine wirklich ungewöhnliche Gruppe. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass sie nicht sicher sind, ob sie es mit euch allen gleichzeitig aufnehmen können. Teile und herrsche.«
»Wir sind zusammen also wirklich stärker?«, rief ich hoffnungsvoll.
»Du würdest dich wundern«, murmelte Connor.
Als wir die Royal Street erreichten, war es bereits dunkel, und Connor hatte uns darüber informiert, dass unsere täglichen Pflichten nun auch noch eine neue Aufgabe umfassten: Jede Nacht würden zwei von uns im Haus Wache schieben, auf den Fluren patrouillieren, gelegentlich einen Blick in den Hof werfen und darauf achten, ob jemand – oder etwas – eine Nachricht wie die an der Hütte hinterlassen würde. Oder sich auf andere Weise bemerkbar machte.
Teil Zwei
11
Sie werden euch holen
O bwohl wir inzwischen alle wussten, warum wir
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