Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
gerade zufällig in der Nähe. Du kommst hier ja wirklich gut voran.«
»Hallo. Ja, danke.«
Sie blieb nicht einmal stehen, sondern ging einfach weiter.
Ich strich nur so lange, bis ich sicher sein konnte, dass sie außer Sichtweite war, dann holte ich meine Kamera hervor, und auch die Blumen. Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen, sie ebenfalls zu verewigen. Dann suchte ich mir ein hüfthohes Grabmal in der perfekten Größe. Darauf legte ich nun die Blumen und setzte die Kamera auf eine Gruft gegenüber. Ich stellte den Timer ein, hopste auf den Grabstein und posierte mit baumelnden Beinen. Klick.
Ich warf einen Blick auf mein Werk – ganz okay – und marschierte dann als Amateurfotografin getarnt über den Friedhof, um nach den besten Verstecken Ausschau zu halten. Mein Favorit war ein riesiges kreisrundes Bauwerk, das oben spitz, beinahe hutförmig zulief. Das sah mir so aus, als könnten wir uns darauf gut verstecken und hätten von dort aus einen guten Ausblick auf die Rasenfläche.
Auf dem Rückweg hatte ich die Kirche hinter mir gelassen und die Rampart Street schon fast überquert, die von der tiefstehenden Wintersonne in kupferfarbenes Licht getaucht wurde, als mir plötzlich einfiel, dass ich die Blumen neben dem Grab vergessen hatte. Augenblicklich machte ich kehrt, bevor sich mein Verstand noch gegen mein Herz durchsetzte.
Auf Höhe des Eingangstors stieg mir ein verbrannter Geruch in die Nase. Ich rannte los, aber es war zu spät: Wo die Blumen gelegen hatten, fand ich nicht mehr als eine verbrannte Masse vor, deren letzte Funken langsam verglühten. Ich sah zu, wie die Überreste der schwarzverkohlten Blüten nach und nach zerfielen, bis nichts mehr davon übrig war. Was da in meiner Brust so furchtbar wehtat, war wohl die Enttäuschung, obwohl mich das eigentlich nicht so mitnehmen sollte.
Und dann wurde es mir auf einmal klar: In Wirklichkeit brannten da gerade meine Narben. Und zwar mit solcher Macht, dass ich schließlich die Beine in die Hand nahm und über den leeren Friedhof in Richtung Ausgang joggte. An diesem ruhigen Abend war das Echo meiner Schritte weithin zu hören, als ich um die Ecke bog. Und dann blieb mir das Herz stehen. Jemand hatte das Tor zugemacht und abgesperrt. Mit stechenden Narben sprang ich daran hoch, um rüberzuklettern.
Aber genauso schnell wurde ich wieder heruntergerissen.
Zwei Hände zerrten mich brutal vom Gitter weg. Ein schlanker Arm legte sich mit eisernem Würgegriff um meinen Hals, während ich mich wand und um mich trat. Ich schnappte nach Luft, konnte aber nicht atmen. Der Angreifer war nicht groß, es fühlte sich eher so an, als würde ich da mit jemandem von meiner Statur ringen, der aber unglaublich stark war. Und er schnürte mir so schnell den Atem ab, dass ich das Gefühl hatte, mir würde gleich der Kopf platzen. Nicht mehr lange, und ich würde das Bewusstsein verlieren. Jetzt richtete ich den Blick auf einen Stein in etwa drei Metern Entfernung. Ich konzentrierte mich darauf, er erhob sich in die Luft und traf meinen Angreifer. Sein Griff löste sich gerade genug, dass ich flach einatmen und zwei Schritte auf das Tor zugehen konnte. Ich keuchte, und der Arm umklammerte meine Kehle wieder fester, aber ich nahm jetzt alle Kraft zusammen, die mir noch blieb. Nun rannte ich die schmalen Stäbe des Tors hinauf wie eine Wand und stieß mich dann mit genug Schwung ab, um mich aus dem Würgegriff zu lösen. Eigentlich wäre ich jetzt in hohem Bogen über den Angreifer geflogen; als ich durch die Luft sauste, war mit einem Mal jedoch niemand mehr zu sehen. Ich kam äußerst unelegant auf der Erde auf und wäre beinahe auf die Knie geknallt. In Angriffspose fuhr ich sofort wieder hoch und drehte mich einmal um meine Achse, um einen Blick in jede Richtung zu werfen. Nichts. Und es war auch kein Laut zu hören. Keine Schritte. Mein rasender Herzschlag und der schmerzende Nacken waren die einzigen Anzeichen dafür, dass ich mir die ganze Sache nicht eingebildet hatte. Während des Kampfes hatte ich meinen Rucksack verloren, also griff ich jetzt danach und warf ihn über das Tor.
Dann huschte ich die Metallstreben hinauf und schob mich mit so viel Schwung darüber, dass ich das Gefühl hatte, gleich mitten auf der Straße zu landen. Stattdessen schlug ich auf dem Bürgersteig auf. Ich schoss über die Fahrbahn und wich den Autos aus, ohne mich auch nur umzusehen.
Danach brauchte ich fast einen ganzen Block, um zu begreifen, dass das Klingeln, das
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