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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Rosie solle schön den Mund halten, er wolle seine Frau nachher mit seiner frühen Rückkehr überraschen.
    Unverzüglich hatte er sich auf den Weg zum Warenlager gemacht.
    Oskar näherte sich der offenen Schuppentür. Er spürte Ungeduld und Erregung in sich aufsteigen und ritt schneller. Flüchtig fragte er sich, wer wohl Emmas Begleiter war, der bei Mary im Salon saß. Nun, um diese Kleinigkeit würde er sich später kümmern; notfalls erschoss er den Kerl. Um alles würde er sich später kümmern, um alles außer Emma. Endlich war sie in seiner Gewalt. Endlich konnte Oskar es ihr heimzahlen, mit lustvoller Brutalität, vor den Augen ihres jämmerlichen Mannes.
    Hoffentlich war Scheerer bei Bewusstsein, damit er auch nichts verpasste.
    Oskar grinste.
    Er erreichte den Schuppen, saß ab und hob sein Gewehr. Mit einem Gefühl, das dem vollkommenen Glück schon sehr nahe kam, trat er ins Dämmerlicht.

16
    E s ist Carl! Er lebt, Carl lebt!
    Emmas erster Gedanke ging unter in einem Wirbel aus Euphorie und Entsetzen.
    Der grauhaarige, halbtote Gefangene, den sie für einen alten Mann gehalten hatte, war Carl! Das Gefühl in ihrem Herzen, das sie seit seinem Verschwinden gehütet hatte wie einen Schatz, hatte Emma nicht getrogen.
    Er lebte.
    Aber er sah so elend aus, dass sie fürchtete, ihn sogleich wieder zu verlieren.
    »Ich bin da«, flüsterte sie. »Ich bin bei dir, mein Liebster. Jetzt wird alles gut.«
    Die Tränen schnürten ihr die Stimme ab. Sie strich Carl über die schmutzige Stirn, den wuchernden Bart, die aufgesprungenen Lippen, vorsichtig, mit den Fingerspitzen. Und die ganze Zeit über schaute sie in seine meerblauen Augen – die einzige Verbindung zu dem Mann, der er noch im Frühjahr gewesen war.
    Er versuchte zu sprechen. Es kam nur ein Husten heraus.
    »Still«, sagte sie, zwang das Schluchzen zurück, das mit Macht hervorbrechen wollte. »Zum Reden ist später Zeit genug.«
    Die Anstrengung war bereits zu viel gewesen für Carls geschwächten Körper. Sein Kopf sackte zur Seite, und er verlor das Bewusstsein.
    »Wir müssen ihn hier rausbringen. Schnell!« Birwains aufgeregtes Krächzen brachte Emma zu Bewusstsein, dass es längst noch nicht ausgestanden war. Widerwillig löste sie ihre Augen von Carl.
    Sie blickte über die Schulter zu ihren Freunden hoch. »Wenn wir ihn zu dritt tragen, sollten wir es schaffen, ihn in Sicherheit zu bringen.«
    »In Sicherheit? Und wo soll das sein?« Birrinbirrin klang gar nicht mehr wie der kampflustige junge Mann, als der er hierhergekommen war, sondern furchtsam und verstört; Carls Anblick schien ihm zuzusetzen.
    »Zur Station«, beschloss Birwain. »John hat ein Gewehr, wir unsere Messer, und der D’anba ist nicht da. Wenn wir uns beeilen, sollte es also möglich sein, von hier zu verschwinden, bevor …«
    »Na, wen haben wir denn da?« Die Stimme in der Dunkelheit, englisch mit einem deutlichen deutschen Akzent, klang belustigt.
    Die Schwarzen fuhren herum, Emma sprang auf. Das Gewehr auf sie gerichtet, schlenderte Oskar auf sie zu.
    »Schön stehen bleiben. Wer sich bewegt, wird erschossen.«
    Emmas erster Impuls war, sich auf Oskar zu stürzen und ihm seine Grausamkeit heimzuzahlen. Carls Folterung, ihre monatelange Trauer, all das, was er in seiner bösartigen Niedertracht so vielen Menschen antat, jeden Tag aufs Neue. Nur der Gedanke daran, dass sie Carl retten musste und dass sie ihm tot nichts nützte, hielt das brüllende Raubtier in Emma in Schach. Mit geballten Fäusten und hämmerndem Herzen stand sie da, entschlossen, Oskar nie wieder in die Nähe ihres Mannes zu lassen; koste es, was es wolle.
    »Emma, meine Liebe.« Oskar blieb breitbeinig vor ihr und den Schwarzen stehen. Er betrachtete Emma von Kopf bis Fuß. »Welch freudiges Wiedersehen. Schäbig siehst du aus, ich hatte dich hübscher in Erinnerung. Tja, die Sorgen, die Sorgen. Sie lassen wenig Raum für Eitelkeiten, nicht wahr?«
    »Du bist widerlich, Oskar«, stieß Emma hervor. »Meine Freunde haben recht: Du bist kein Mensch mehr.«
    »Deine Freunde?« Oskar zog die Augenbrauen hoch. »Meinst du diese halbnackten Gestalten hier?«
    Noch bevor sie begriff, was er zu tun beabsichtigte, hatte er sein Gewehr umgedreht und Birrinbirrin den Kolben ins Gesicht gerammt. Mit einem hässlichen Knacksen brach Birrinbirrins Nase. Blut schoss hervor, Oskar lächelte und stieß noch einmal zu. Birrinbirrin sackte bewusstlos zusammen.
    Emma und der alte Schamane starrten entsetzt auf ihren

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