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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Kerl ließ ihn laufen und kam sich wahrscheinlich furchtbar großzügig dabei vor. Das Lustige war nur: Scheerer irrte sich.
    Denn er war Oskar keineswegs los.
    Nachdem der erste Punkt somit zu Oskars Zufriedenheit erledigt war, widmete er sich dem zweiten: ein paar notwendigen Schwindeleien. Gemütlich mit den Herren in einem der großen, staubigen Arbeitszimmer sitzend, erzählte er ihnen zwischen getrockneten Pflanzen, Papierstapeln und ledergebundenen Bestimmungsbüchern, dass er vorhabe, noch in diesem Monat nach Europa zurückzukehren. Oskar hegte keinen Zweifel daran, dass diese Information sehr bald auch Carl und Emma erreichen würde.
    Danach würden sie sich in Sicherheit wiegen.
    Hochzufrieden mit sich selbst kehrte er zu Mary nach Warwick zurück.
    Fortan lebte Oskar zwei Leben. Im Juli heiratete er Mary und widmete sich dem Aufbau seiner neuen Existenz als Schafzüchter. Zwar konnte er die Station von Marys Vater übernehmen, doch Oskar war entschlossen, alles noch eine Spur besser zu machen als sein Schwiegervater.
    Er stellte neue Leute ein, denen er von der ersten Minute an zeigte, wie der Hase lief. Die Schwarzen, die er anwarb, machten kaum Probleme; nachdem er die Aufmüpfigsten unter ihnen zu Krüppeln geschossen hatte, kuschten sie vor ihm, so wie er sich das gewünscht hatte. Mary war gottlob auch keine große Verfechterin der Rechte von Wilden, so dass er von Vorwürfen am heimischen Herd verschont blieb. Stattdessen bewunderte sie ihn, dass unter seiner straffen Führung bald alles reibungslos lief – es gab keine gestohlenen Schafe mehr, keinen verschwundenen Schnaps und keine herumlungernden Faulpelze, die sich bei der ersten Gelegenheit mit ihrem Lohn davonmachten.
    Mary war zufrieden mit ihm als Ehemann, und darauf war Oskar stolz. Er liebte es, nach einem langen Tag mit ihr zu plaudern, ihre weiche Haut zu streicheln und sie zu küssen. Mary schlief bereitwillig mit ihm, wann immer er sich das wünschte. Wenn sie einmal unpässlich war, behalf er sich mit Rosie, der jungen Magd, aber das kam selten vor. Oskar hielt sich viel darauf zugute, dass er seiner Frau fast immer treu war.
    Sein anderes, geheimes Leben war weniger befriedigend. Oskar wusste einfach nicht, wie er es Emma und Scheerer heimzahlen sollte, ohne sich selbst dem Risiko empfindlicher Strafen auszusetzen.
    Er hatte Erkundigungen eingezogen und erfahren, dass Emma nun Frau Scheerer war und wie ihr Mann in den Diensten der Regierung stand. Die beiden lebten im Regenwald bei den Wilden, deren Bekanntschaft auch er, Oskar, schon gemacht hatte. Sie schrieben regelmäßige Berichte und wurden für ihre Arbeit hoch geschätzt. Ein Paar wie sie konnte man nicht einfach umbringen, nicht einmal, wenn es im Regenwald passierte. Es würde eine Untersuchung geben, die Wilden würden reden, und der Verdacht würde im Nu auf den alten Feind der Scheerers fallen, der nicht weit vom Regenwald eine Schafstation führte. Nein, so ging es nicht.
    Wie aber dann?
    Auf den langen Ritten über sein Land grübelte Oskar unentwegt über diese Frage nach. Einmal erwog er, seine verlässlichsten Leute zusammenzutrommeln und nicht nur Scheerer und Emma, sondern gleich den ganzen Clan abzuknallen. Aber das Risiko war zu hoch, dass Mary bei einer Aktion dieser Größenordnung misstrauisch würde, und er wollte sein junges Eheglück nicht gefährden. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er so etwas wie Liebe und häuslichen Frieden gefunden; um keinen Preis der Welt wollte er dies alles wieder verlieren.
    Dennoch zog es ihn zu denen, die ihn gedemütigt hatten, zurück. Quälend und unwiderstehlich. Seine Seele fand einfach keine Ruhe.
    Eines Tages im Oktober hielt Oskar es nicht mehr aus. Er sattelte sein schnellstes Pferd und machte sich auf den Weg in den Regenwald. Es kam ihm zupass, dass er oft in den Weiten seines Landes unterwegs war; so schöpfte Mary keinen Verdacht, weil er tagelang fort war.
    Oskar hatte keine Ahnung, wo das verdammte Lager sein sollte, in dem Carl und Emma nun wohnten. Er sagte sich, dass es nicht allzu weit von ihrer ehemaligen Forschungsstation entfernt sein konnte, schließlich war Emma damals zu Fuß bei den Wilden gewesen. Doch obwohl der Suchradius derart eingeschränkt war, erwies sich der dichte scrub als hartnäckiger Gegner, zumal Oskar es tunlichst vermeiden musste, von irgendjemandem gesehen zu werden. Er musste sich also vorsichtig, ohne schnaubendes und trampelndes Pferd und ohne eine Schneise der Verwüstung

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