Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
Vom Netzwerk:
schnaubend herumtrottete, auf der Suche nach dem perfekten Schlafplatz oder vielleicht auch nach Orlando.
    Hatte Carl sie verlassen? Unmöglich. Er hätte doch seine Habseligkeiten mitgenommen, zumindest sein Forschungsmaterial.
    Das lässt sich doch alles ganz leicht ersetzen.
    Eine erbarmungslose Kälte breitete sich in Emma aus, und sie kam nicht von der Nachtluft. Carl zu verlieren, weil er selbst es so wollte … nichts konnte schrecklicher sein.
    Was war passiert? Wo war er? Lebte er? Liebte er sie noch? Würde er zurückkommen? Konnte er zurückkommen?
    Die Fragen rotierten in ihrem Kopf, und schlagartig wurde ihr klar, dass die Ungewissheit schlimmer war als alles andere. Sie musste herausfinden, was wirklich geschehen war, sonst würde sie verrückt werden.
    Und deshalb brauchte sie schnellstens einen Plan.
    Was würde Carl tun, wenn er in ihrer Situation wäre? Was tat man als Weißer, wenn ein Mensch verschwand?
    Polizei.
    »Genau! Ich gehe nach Ipswich zur Polizei«, sagte Emma laut. Wenn sie es aussprach und ihre eigene Stimme hörte, kamen ihre Pläne ihr realer und erfolgversprechender vor. »Und ich schreibe einen Brief an die Kolonialregierung!«
    Ja, das war gut; denn selbst wenn Carl beschlossen hätte, sein Leben mit Emma hinter sich zu lassen, so war er doch zu sehr Wissenschaftler, um alle Brücken hinter sich abzubrechen. Die Kolonialregierung würde wissen, was er vorhatte. Und Emma würde zumindest wissen, dass er lebte – wenn auch nicht mehr bei ihr.
    Sie straffte die Schultern, wandte sich von der Weide ab und beschloss, sofort zum Eingeborenenlager zurückzukehren, damit sie gleich morgen nach Ipswich reiten konnte. Mit schlechtem Gewissen dachte sie an Belle. Ob die Kleine sie bereits vermisste? Sie war es schließlich nicht gewohnt, so lange ohne ihre Adoptivmutter zu sein und an einem anderen Ort zu schlafen als im Zelt. Nach Ipswich würde Emma Belle auch nicht mitnehmen können. Das Städtchen lag anderthalb scharfe Tagesritte vom Lager entfernt, und Belle brauchte Purlimils Muttermilch. Hoffentlich würde Purlimil überhaupt so lange auf Belle aufpassen, obwohl sie das ja eigentlich nicht durfte … weil der verdammte Zorn der Ahnen sie sonst ebenfalls treffen würde.
    Die nähere Zukunft versprach mehr als kompliziert zu werden.

4
    I ch bedaure, Mrs Scheerer, aber ich glaube nicht, dass ich Ihnen helfen kann.«
    Der Constable lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände über dem Bauch. Es war ein enorm großer Bauch, und der Constable sah aus, als träumte er schon wieder vom Essen.
    Emma betrachtete ihn irritiert. Gemütlichkeit hin oder her, er musste doch seiner Pflicht nachkommen! Wie konnte er ihr Ansinnen abschmettern, bevor er auch nur den ganzen Sachverhalt vernommen hatte?
    »Sie müssen mir aber helfen«, beharrte sie. »Mein Mann ist verschwunden! Da muss man doch irgendetwas tun können.«
    »Ja, nämlich abwarten«, sagte der Constable und zog ein Stofftaschentuch hervor. Umständlich tupfte er sich damit die Schweißtropfen von der Stirn.
    Auch Emma schwitzte. Sie war die stehende Luft und die hohen Temperaturen nicht mehr gewohnt. Seit Monaten war sie nicht aus dem Lager und seiner Umgebung herausgekommen, und während nun, Anfang April, eine angenehme Wärme im Regenwald herrschte, schien Ipswich von der flirrenden Mittagshitze regelrecht erdrückt zu werden.
    Aber sie war nicht den ganzen langen Weg hierhergeritten, hatte nicht schweren Herzens Belle zurückgelassen und sich Dayindis Beschimpfungen angehört – »Wer ein Baby aufnimmt, hat sich gefälligst auch darum zu kümmern!« –, um sich nun Gedanken über das Wetter zu machen.
    »Constable«, sagte sie eindringlich, »ich habe nicht vor, lediglich abzuwarten. Mein Mann hatte möglicherweise einen Unfall und ist verletzt. Jeder weitere Tag, der vergeht, könnte seinen Tod bedeuten!«
    Der Constable seufzte. »Wann, sagten Sie, haben Sie Mr Scheerer zum letzten Mal gesehen?«
    »Vor drei Tagen, sehr früh am Morgen.«
    »Und Sie haben die Umgegend bereits abgesucht?«
    »Ja. Die nähere Umgebung mit den Eingeborenen zu Fuß und die weitere Umgebung allein zu Pferd.«
    Der Constable hob die Hände. »Aber liebe gute Frau, was soll ich denn dann noch tun?«
    Emma starrte ihn an. »Ich dachte eigentlich, genau das würden Sie mir jetzt erklären. Sie sind schließlich die Polizei.«
    Ohne seine bequeme Sitzposition aufzugeben, sagte der Constable: »Ich verstehe ja, dass Sie besorgt

Weitere Kostenlose Bücher