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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Rückkehr nicht teilte.
    Am meisten von allen bemühte sich Purlimil um Emma. Die Freundin wich ihr kaum mehr von der Seite, und mehr denn je verhielt sie sich, als seien Emma und sie tatsächlich Schwestern. Für den Clan wurde es zum gewohnten Bild, die Frauen mit ihren Babys im Quartett umherstreifen zu sehen.
    Emma war froh über jede Ablenkung, und so kam sie gar nicht auf die Idee, sich gegen Purlimils ständige Begleitung zu wehren. Bald jedoch ging die Fürsorge so weit, dass Purlimil Emma nicht einmal mehr nachts allein lassen wollte. Yileen, ob es ihm passte oder nicht, musste allein in seiner Hütte liegen, während die Frauen mit ihren Babys in Emmas Zelt schliefen. Emma war das peinlich, zudem sehnte sie sich danach, ab und zu ein paar Stunden allein zu sein. Doch Purlimil bestand hartnäckig darauf, ihr auf jede nur mögliche Weise beizustehen.
    Besorgt fragte Emma sich, ob die übertriebene Fürsorge der Freundin in deren Schuldgefühlen wurzelte. Schließlich war es Purlimil gewesen, die Emma um Hilfe für ihr Baby gebeten und damit den Zorn der Ahnen provoziert hatte. In Emmas Augen war das natürlich grober Unfug, und genau das sagte sie auch zu Purlimil. Daraufhin brach die Freundin in Tränen aus.
    Emma war bestürzt. Dass die patente und optimistische Purlimil einen Heulkrampf bekommen würde, war das Letzte, womit Emma gerechnet hätte. Sie beeilte sich zu erklären, dass es ihre ureigene Entscheidung gewesen war, Belle zu sich zu nehmen, und dass sie diese Entscheidung um nichts in der Welt rückgängig machen würde. Doch obgleich sie mit Engelszungen auf die Schwarze einredete, beruhigte diese sich nur langsam.
    Danach war Purlimil für geraume Zeit in sich gekehrt und schweigsam, und Emma schwor sich im Stillen, niemals mehr an dieses heikle Thema zu rühren. Irgendwann, so hoffte sie, würde die Freundin schon von selbst darauf kommen, dass Emma ihr weder böse war noch ihr die Schuld an Carls Abwesenheit gab. Bis dahin musste Emma die übertriebene Fürsorge eben ertragen.
    Belle zumindest gefiel es, ständig in Begleitung ihres Brüderchens zu sein. Ihre Verwandlung vom Schreihals in ein heiteres, friedliches Baby war von Dauer gewesen, und darüber war Emma heilfroh. Nach wie vor bezweifelte sie, dass Birwains Hokuspokus oder Gunurs Räucherung für die wundersame Veränderung verantwortlich waren; eher glaubte sie an die Heilkraft des Pflanzensaftes, den Purlimil ihr überlassen hatte und den Emma der Kleinen gewissenhaft dreimal täglich eingab. Belles Blähungen waren verschwunden, und wenn sie jetzt schrie, dann aus Hunger oder weil sie auf Emmas Arm wollte. Die Kleine schlief nun auch besser – nachts immerhin vier Stunden am Stück –, und die tiefe Erschöpfung, die Emma in den ersten Wochen empfunden hatte, war einer leichten, gut auszuhaltenden Müdigkeit gewichen.
    Emma fand es nun gar nicht mehr so besonders schwer, ein Baby im Regenwald aufzuziehen. Ob das daran lag, dass sie langsam, aber sicher gelernt hatte, wie eine Eingeborene mit Belle umzugehen? Aus der papierartigen Rinde eine Windel zu falten war inzwischen ein Leichtes für Emma, und das lästige Windelwaschen war ebenso Vergangenheit wie das Herumhantieren mit ellenlangen Stoffbahnen. Emma machte sich auch keine Vorwürfe mehr, wenn sie Belle »verwöhnte« und mit sich herumschleppte wie ein Koalajunges. Yileen hatte Belle die gleiche Holztrage angefertigt wie Gelar, und wenn Purlimil und Emma zusammen das Essen zubereiteten, Heilpaste herstellten oder Früchte sammelten, lagen die Babys zufrieden strampelnd neben ihnen auf dem Boden.
    Neben alldem fand Emma sogar Zeit dafür, an ihren Aufzeichnungen weiterzuarbeiten. Da Carl abwesend war, musste sie sich ihren Forschungen allein widmen. Die Kolonialregierung erwartete regelmäßige Berichte von den Scheerers; blieben diese Berichte aus, würden die Gelder für das Projekt bald aufhören zu fließen, das war Emma vollkommen klar. Also bemühte sie sich, ihr neues Leben als Mutter für die Wissenschaft fruchtbar zu machen, indem sie alles notierte, was ihr auch nur im Geringsten interessant und verwertbar erschien.
    Glücklicherweise gab es da etliches. Besonders ergiebig, fand Emma, war die bei den Eingeborenen übliche, äußerst kuriose Vermischung von Babypflege und Spiritualität. So ließ man den Babys Massagen angedeihen – nicht etwa, um die Kleinen zu entspannen, sondern um ihre starke spirituelle Energie in Schach zu halten. Im Clan glaubte man

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