Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
hätte mich in den Gerichtssaal gestellt und mich lang und breit über den miesen Charakter dieses Wichsers ausgelassen. Und wenn mir jetzt die Asche von der Zigarette fällt«, fuhr er in unverändertem Tonfall fort, »werd ich die kleine Schlampe rausschmeißen !«
Wie aufs Stichwort ertönten Trudies eilige, schnell lauter werdende Schritte auf der Treppe. Schließlich erschien sie wieder – keuchend und mit einem schweren Glasaschenbecher in der Hand.
» Danke sehr«, sagte Somé in spitzem Ton, als sie ihn vor ihm abstellte und zurück nach unten tippelte.
»Warum haben Sie Duffield verdächtigt?«, fragte Strike, sobald er sich sicher sein konnte, dass Trudie wieder außer Hörweite war.
»Wen sonst hätte Cuckoo um zwei Uhr morgens in ihre Wohnung gelassen?«
»Wie gut kennen Sie ihn?«
»Gut genug, um zu wissen, was für ein Schlappschwanz er ist.« Somé hob das Glas mit dem Pfefferminztee. »Warum fallen die Weiber immer auf solche Typen rein? Selbst Cuckoo … und sie war nicht blöd, im Gegenteil – sie war verdammt schlau … Also, was fand sie an Evan Duffield so toll? Ich werd’s Ihnen verraten«, sagte er, ohne eine Antwort abzuwarten. »Diese ganze Tragische-Poeten-Kacke, diesen Weltschmerz-Bullshit, diesen ganzen Mist von wegen: Als verkanntes Genie muss ich mich nicht waschen. Putz dir die Zähne, du kleiner Scheißer! Du bist kein gottverdammter Byron!«
Er knallte das Glas auf den Tisch und legte den rechten Ellenbogen in die linke Hand, um seinen Unterarm so weit ruhig zu halten, dass er an der Zigarette ziehen konnte.
»Kein Mann würde mit so einem wie Duffield was zu tun haben wollen. Nur Frauen mit verquerem Mutterinstinkt, wenn Sie mich fragen.«
»Glauben Sie, dass er zu einem Mord fähig ist?«
»Aber sicher«, sagte Somé herablassend. »Natürlich ist er dazu fähig. Das sind wir doch alle irgendwie, weshalb also sollte Duffield da eine Ausnahme sein? Er ist wie ein verzogener Zwölfjähriger. Ich sehe genau vor mir, wie er einen Tobsuchtsanfall kriegt, sie anschreit und dann einfach …«
Somé machte mit der freien Hand eine heftige Schubsbewegung.
»Ich war einmal dabei, als er sie angebrüllt hat. Das war letztes Jahr auf meiner After-Show-Party. Ich bin dazwischengegangen und hab ihm gesagt, er soll sich lieber mit mir anlegen. Ich bin ja nur eine kleine Schwuchtel« – Entschlossenheit zeichnete sich auf seinem geröteten Gesicht ab –, »aber mit diesem dauerbreiten Penner nehm ich’s jederzeit auf! Auf der Trauerfeier hat er sich ebenfalls unmöglich aufgeführt …«
»Wirklich?«
»Oh ja! Ist durch die Gegend getorkelt, hatte absolut keinen Durchblick mehr. So was von respektlos! Wäre ich nicht selbst voll auf Valium gewesen, hätte ich ihm ordentlich die Meinung gegeigt. Hat so getan, als wär er am Boden zerstört, der scheinheilige kleine Scheißer.«
»Also glauben Sie nicht an Selbstmord?«
Der Blick aus Somés unnatürlich großen Augen bohrte sich in Strike.
»Niemals! Duffield behauptet zwar, dass er als Wolf verkleidet bei seinem Dealer war. Aber was soll das denn für ein Scheißalibi sein? Ich hoffe, Sie prüfen das nach. Ich hoffe, dass Sie nicht wie die Polizei den Schwanz einziehen, nur weil er berühmt ist.«
Strike rief sich Wardles Kommentare über Duffield in Erinnerung.
»Ich glaube nicht, dass die Polizei Duffield so umwerfend fand.«
»Dann haben die Bullen einen besseren Geschmack, als ich ihnen zugetraut hätte«, sagte Somé.
»Wieso sind Sie sich so sicher, dass es kein Selbstmord war? Lula hatte psychische Probleme, oder nicht?«
»Stimmt. Aber wir hatten einen Pakt geschlossen. Wie Marilyn Monroe und Montgomery Clift. Wir hatten uns geschworen, dass einer dem anderen Bescheid gibt, wenn er ernsthaft an Selbstmord denkt. Sie hätte sich auf jeden Fall bei mir gemeldet.«
»Wann haben Sie zum letzten Mal von ihr gehört?«
»Sie hat mich am Mittwoch angerufen. Da war ich noch in Tokio«, sagte Somé. »Das kleine Dummerchen hatte mal wieder die Zeitverschiebung vergessen. Bei mir war es zwei Uhr nachts. Ich hatte das Telefon lautlos gestellt und nicht abgenommen. Sie hat mir eine Nachricht hinterlassen, und die klang alles andere als suizidal. Hören Sie sich das an!«
Er griff wieder in die Schublade, drückte mehrere Tasten auf einem Handy und hielt es Strike hin.
Völlig real und aus nächster Nähe drang Lula Landrys raue, ein wenig heisere Stimme an Strikes Ohr. Sie sprach mit einem übertriebenen, aufgesetzten
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