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Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Galbraith
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Hinterausgang deutete.
    Der Biergarten stellte sich als betonierter Hinterhof der hässlichsten Sorte heraus. Neben Mülltonnen stand ein einsamer Holztisch, an dem eine Frau auf einem weißen Plastikstuhl saß. Sie hatte die dicken Beine übereinandergeschlagen und hielt eine Zigarette im rechten Winkel zu ihrer Wange zwischen den Fingern. Die hohe Mauer um den Hinterhof war mit Stacheldraht gekrönt, in dem sich eine im Wind raschelnde Plastiktüte verfangen hatte. Hinter der Wand ragte eine große, gelb gestrichene Mietskaserne auf, deren Balkone als sichtbares Zeichen der Verwahrlosung vor Gerümpel und Sperrmüll überquollen.
    »Mrs. Higson?«
    »Marlene is auch okay.«
    Sie musterte ihn mit einem lustlosen Lächeln und abgeklärtem Blick. Unter ihrer grauen Kapuzenjacke trug sie ein pinkfarbenes Lycratop, und ihre Leggins endeten weit über ihren nackten blassgrauen Knöcheln. Sie hatte ausgelatschte Flipflops an den Füßen und zahlreiche Goldringe an den Fingern. Ihr blondiertes Haar, das an den Wurzeln in ein Graubraun überging, war mit einem schmuddeligen Frotteehaargummi zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken holen?«
    »’n Carling, wenn Sie drauf besteh’n.«
    Wie sie sich zu ihm vorbeugte, wie sie sich die strohigen Haarsträhnen aus den tief liegenden Augen wischte, selbst wie sie die Zigarette hielt, war auf groteske Weise kokett. Vielleicht wusste sie nicht, wie sie einem Vertreter des männlichen Geschlechts sonst gegenübertreten sollte. Strike betrachtete sie gleichermaßen mit Mitleid und Abscheu.
    »Schockiert?«, fragte Marlene Higson, nachdem er Bier für sie beide geholt und sich zu ihr an den Tisch gesetzt hatte. »Das könn’ Sie laut sagen. Ich dacht, ich hätt sie für immer verlor’n. Hat mir’s Herz gebrochen, als ich sie weggegeben hab, aber’s war ja nur zu ihrem Besten. Zu was anderm hätt ich nich’ die Kraft gehabt. Ich wollt, dass sie alles kriegt, was ich nich’ hatte. Wir war’n arm als Kinder, richtig arm. Wir hatten nix. Gar nix.«
    Sie wandte sich von ihm ab und nahm einen tiefen Zug von ihrer Rothman’s. Strike fand, dass der faltige Mund, der sich um die Zigarette schloss, eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Anus einer Katze besaß.
    »Dez, mein Freund, der wollt sie auch nich’ haben – sie war ja schwarz, da konnt sie ja nich’ von ihm sein. Die wer’n nämlich immer dunkler. Direkt nach der Geburt war sie fast weiß. Aber ich hätt sie nie weggegeben, wenn ich nich’ gedacht hätt, dass sie’s dann besser hätt, und ich dacht, sie wird mich schon nich’ vermissen, sie is ja noch so klein. Aber am Anfang hatte sie’s gut bei mir, und ich hab gehofft, vielleicht kommt sie mich ja suchen, wenn sie älter is. Tja, mein Traum is wahr geworden«, fügte sie mit schier unerträglichem Pathos hinzu, »weil, sie is ja tatsächlich zurückgekomm’. Ich erzähl Ihn’ ma was«, sagte sie, ohne Luft zu holen. »’n guter Bekannter von mir hat gesagt, grad eine Woche, bevor sie angerufen hat: ›Weißt du, wem du ähnlich siehs’?‹, und ich so: ›Ach, hör bloß auf‹, und er so: ›Wie aus’m Gesicht geschnitten. Vor allem die Augen, und die Augenbrauen sind auch genau wie bei ihr.‹ Seh’n Sie’s?«
    Sie blickte Strike hoffnungsvoll an, doch er konnte sich nicht zu einer Antwort durchringen. Es schien völlig unmöglich, dass das Model mit dem Antlitz einer modernen Nofretete diesem grau-lila Wrack entsprungen war.
    »Man sieht’s auf den Fotos, wie ich noch jünger bin«, fügte sie leicht gekränkt hinzu. »Ich hab mir gewünscht, dass sie’s besser hätt, und die geben sie diesen Arschlöchern, ’tschuldigung für die Wortwahl. Wenn ich das gewusst hätt, hätt ich sie behalten. Das hab ich ihr auch so gesagt. Da hat sie geheult. Ich hätt sie behalten und nie geh’n lass’n soll’n. Klar hat sie mit mir geredet. Wie’n Wasserfall. Mit dem Vater, Sirralec, mit dem isse klargekomm’. Der war in Ordnung. Die Mutter, die is ’ne irre Schlampe, jawoll. Tabletten. Den ganzen Tag Tabletten. Die scheißreiche Scheißschlampe schluckt Tabletten für ihre Scheißnerven. Lula und ich, wir konnten offen und ehrlich red’n. Von Mutter zu Tochter, versteh’n Sie?
    Sie hatte Angst, was die Schlampe machen würd, wenn sie nach ihrer richtigen Mum sucht. Sie hatte ’ne Scheißangst, was die dumme Kuh anstellt, wenn die Presse mitkriegt, dass es mich gibt, aber so is das mit der Berühmtheit, die finden alles raus,

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