Der Ruf des Satyrs
angeht.«
»Er ist höchstens fünfundvierzig«, brummte sie. »Das perfekte Alter, um mich vielleicht gezeugt zu haben.«
»Russo?« Sie spürte, wie Dane über ihren Kopf hinweg zur Bühne sah. »Das glaube ich nicht. Er bevorzugt Männer.«
»Was?!«, platzte sie heraus. »Aber was ist mit der … der Schwester?«
»Auch ein Mann.«
Sie spähte zur Bühne, und ihre Augen weiteten sich, als sie sah, was dort im Gange war. Nun konnte sie deutlich erkennen, dass die Person in der Rolle der Ordensschwester tatsächlich ein Mann war. »Aber meine Mutter erwähnte ihn in ihrem Tagebuch. Sie war eine Kurtisane, und zwar eine sehr hübsche. Denkst du, er könnte für sie eine Ausnahme gemacht haben?«
Er zuckte mit den Schultern. »Alles ist möglich.«
»Zu welcher Gattung gehört er? Kannst du das sagen?«, fragte sie aufgeregt, woraufhin seine Augen schmal wurden.
»Das Buch deiner Mutter enthält keinen Hinweis auf die Identität oder Gattung deines Vaters?«
»Ich habe eine Reihe Namen, das ist alles. Mein Geruchssinn ist so gut wie gar nicht ausgebildet, doch der deine scheint hervorragend zu sein. Kannst du …«
Beinahe unmerklich blähte Dane seine Nasenflügel. »Er gehört zum Feenvolk.«
»Oh«, entfuhr es Eva. Ihre Hoffnung schwand.
»Du denkst nicht, dass dein Vater vom Feenvolk sein könnte?«
Sie war versucht, ihm die Wahrheit zu sagen. Er war ein Tracker. Mit seiner Nase konnte er ihr wahrscheinlich helfen, ihren Vater ausfindig zu machen, wenn sie ihm genug Details lieferte. Was konnte es schon schaden? Er würde daraus nie die Schlussfolgerung ziehen, dass sie, eine Frau, ein Satyr sein könnte.
»Tatsächlich hat meine Mutter angedeutet, er sei ein Satyr gewesen.«
Daraufhin schüttelte Dane den Kopf. »Außer meinen Brüdern habe ich heute Nacht bisher keinen Satyr hier wahrgenommen.«
»Aber du könntest mir helfen, ihn zu finden, wenn er sich irgendwo in Rom befindet, nicht wahr?«
Eine lange Pause, dann: »Ist es das, wonach du suchst, Eva? Einen Vater?«
»Ich habe dir bereits gesagt, dass ich nach ihm suche.«
»Warum?« Er hob ihr Kinn mit einem Finger an und suchte ihren Blick im Dämmerlicht.
Sie wusste nicht recht, was sie ihm darauf antworten sollte. Warum war es eigentlich so
wichtig
für sie? »Jeder hat doch das Bedürfnis, seine Eltern zu kennen.«
In seinen Augen, seiner Berührung, zeigte sich etwas. Ein neues Verständnis. »Oder vielleicht suchst du in Wahrheit gar nicht nach einem Vater, sondern eher nach einem starken Mann, der auf andere Weise in deinem Leben gegenwärtig ist.« Seine Hand an ihrem Rücken wanderte nun tiefer hinab und streichelte sie mit langsamen Kreisbewegungen aufreizend nahe an ihrem Hinterteil. Das machte es ihr schwer, noch an irgendetwas anderes zu denken. »Ich habe dich vom Balkon aus beobachtet, bevor ich hier herunterkam«, fuhr er fort. »Ich habe gesehen, was dein Interesse weckte: Dominanz. Mehrere Partner.«
Seine leisen Worte trafen sie wie schnell aufeinanderfolgende Kugeln, und sie versteifte sich, während sie vorsichtig zu ihm aufblickte.
»Du schämst dich ja«, murmelte er, und leichte Überraschung malte sich auf sein Gesicht. »Aber nicht doch! Scham ist ein Gefühl, das in dem, was zwischen uns ist, gar keinen Platz hat. Wenn wir unsere Leidenschaften nicht ausleben, tun wir uns nur selbst damit weh. Willst du die Rolle der Tochter spielen, mit mir als strengem Vater? Das kann ich tun. Willst du die Nonne sein, mit mir als Priester? Ungezogenes Schulmädchen mit mir als Lehrer? Auch diese Rollen kann ich spielen. Was immer du möchtest.« Schließlich rieb seine Hand über ihre Pobacken, drückte sie und jagte ihr damit einen heißen Schauer der Lust durch den Leib.
Schockiert über den erregenden Kitzel, den seine Vorschläge in ihr auslösten, und über seine wandernden Hände, schob sie ihn von sich und wollte aus dem Zimmer laufen. Doch stattdessen blieb sie unsicher vor ihm stehen und betrachtete sein Gesicht. Sie fühlte sich entblößt, mit ihren geheimsten Sehnsüchten ertappt. Es fühlte sich gut und befreiend und zugleich besorgniserregend an. Sie hatte sich selbst nie gestattet, so unverhohlen über derartige Ideen nachzudenken, noch nicht einmal in ihrer eigenen Phantasie.
»Sei nicht abartig!«, entgegnete sie schwach. Doch ihre Wangen röteten sich unter seinem wissenden Blick.
Er streckte eine Hand aus und strich ihr eine vorwitzige Haarsträhne hinters Ohr. »Es ist ein Spiel, Eva. Einfach nur
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