Der Ruf des weißen Raben (German Edition)
dass jemand ihn unbedingt haben wollte. Unruhig blickte sie sich um, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Dann fiel ihr Blick in den Rückspiegel. Obwohl auf dem Highway kaum Verkehr war, fuhr ein Fahrzeug unmittelbar hinter ihr. Es handelte sich um einen schwarzen Chrysler. Myra sah genauer hin, und sie war sich fast sicher, dass es sich um das Auto von Simon Morris handelte, von dem Mann, dem sie vor einer Woche bei Heather begegnet war. Aber warum sollte er gerade jetzt hinter ihr herfahren? Wieder musste sie an den Talisman denken.
Beunruhigt entschloss Myra sich, weiterzufahren, bis sie Boulder Landing erreicht hatte. Sie würde sich besser fühlen, wenn sie unter Menschen war.
Myra fuhr in den Ort und erledigte alles, was sie sich vorgenommen hatte. Sie hielt am Postamt an und gab Briefe auf, holte ihren Mantel von der Reinigung ab und fuhr schließlich in den Supermarkt zum Einkaufen. Während der ganzen Zeit hielt sie Ausschau nach dem schwarzen Chrysler, der auf dem Highway hinter ihr hergefahren war. Und jedes Mal wenn sie in den Rückspiegel blickte, konnte sie das Fahrzeug nicht weit hinter sich erspähen. Sie überlegte angestrengt. Was sollte sie tun? Warum folgte der Wagen ihr?
Sie beschloss, bei Chad im Büro vorbeizuschauen und die Sache mit ihm zu besprechen.
Kurze Zeit später ließ sie sich erleichtert in Chads Arme sinken und drückte ihn fest an sich. Chad beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie zärtlich. Sie erwiderte seinen Kuss, konnte ihre innere Anspannung jedoch nicht verbergen.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Chad dann auch sofort und sah sie eindringlich an.
Myra erzählte ihm alles.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich um Simon Morris handelt«, sagte sie zu einem erstaunten Chad. »Ich weiß nicht, warum, aber ich fühle es.«
»Simon Morris?«, wiederholte Chad. »Der Mann, den wir vor einer Woche bei Heather getroffen haben und der sie über alte indianische Legenden befragt hat?« Er hastete zum Fenster. »Du sagst, er ist dir gefolgt und wartet jetzt irgendwo dort unten auf dich?« Er spähte auf die Straße hinunter. »Ein schwarzer Chrysler? Ja, ich sehe ihn. Er parkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Jemand sitzt hinterm Steuer.« Er ging zur Tür.
»Wohin gehst du?« Myra hielt ihn am Arm fest.
»Ich werde hinuntergehen und nachfragen, warum dieser Kerl dir folgt und dir Angst einjagt.«
Myras Griff wurde fester.
»Überleg doch, Chad! Wenn es wirklich Morris ist, könnte er nicht gefährlich sein? Du erinnerst dich bestimmt, wie unhöflich und kalt er uns gegenüber bei Heather gewesen ist. Ich meine, was wissen wir schon von ihm?«
Chad legte seine Hand beruhigend auf den Arm seiner Frau und blickte sie nachsichtig an.
»Und was soll ich deiner Meinung nach tun? Zulassen, dass dieser Kerl da unten meiner Frau nachstellt?«
Myra warf ihm einen bittenden Blick zu.
»Lass uns erst einmal herausfinden, ob es wirklich Morris ist, der da drüben im Auto sitzt.«
»Also gut«, erklärte Chad. »Ich werde zum Supermarkt gehen und Sandwiches besorgen. Dafür muss ich direkt an seinem Wagen vorbeigehen. Warte hier auf mich.« Er drückte sie kurz an sich und war auch schon aus dem Büro verschwunden.
Myra ging zum Fenster hinüber und spähte vorsichtig hinunter. Sie sah, wie Chad die Straße überquerte und gelassen in Richtung Supermarkt ging. Sie beobachtete, wie er im Laden verschwand und wie er nach kurzer Zeit mit einer Papiertüte unter dem Arm wieder herauskam. Wenig später stand er bei Myra im Zimmer.
»Und?«, fragte sie neugierig.
»Du hattest recht!« Chad war aufgebracht. »Es handelt sich tatsächlich um Morris!«
»Meinst du, er ist mir die ganzen Tage gefolgt, seit wir bei Heather waren?«
»Ich frage mich, warum er dir überhaupt folgt!«, fuhr Chad wütend fort. »Der Mann muss krank sein!«
»Ich denke, besessen wäre ein passenderes Wort«, meinte Myra nachdenklich. Als Chad sie fragend ansah, fügte sie hinzu: »Ich habe das vage Gefühl, dass er hinter etwas Bestimmtem her ist …«
Chad wollte etwas einwenden.
»Nein, lass mich ausreden«, fuhr Myra fort. »Du erinnerst dich, wie hartnäckig er darauf bestanden hat, von Heather die Legende vom Lachen der Kinder zu hören, nichts anderes. Und wie hartnäckig er nachgehakt hat, als Heather den Talisman erwähnt hat. Als sie mich gefragt hat, ob ich mich an den Talisman erinnere, habe ich Nein gesagt. In Wahrheit wollte ich in Morris’ Gegenwart nicht
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