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Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Titel: Der Ruf des weißen Raben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanna Seven Deers
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Gestalt am Horizont auf. Runa und Erdis waren den ganzen Tag in Richtung Osten gewandert und hofften, bald auf einen Schamanen zu treffen, der nicht zu Kansbars Gefolge gehörte. Runa betete, dass es sich diesmal um einen ihnen freundlich gesinnten Menschen handelte.
    Umso erstaunter waren sie, als sie kurz darauf die hochgewachsene dürre Gestalt von Timaq erkannten. Er war der alte Schamane, den sie in der vergangenen Nacht im Kampfgetümmel aus den Augen verloren hatten.
    »Timaq!«, riefen die beiden Frauen erleichtert. Dann sahen sie, dass der alte Mann Mühe hatte, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sein graues Haar hing ihm wirr um den Kopf, und sein Hemd war blutverschmiert. Er presste eine Hand gegen den Bauch und atmete schwer.
    Sofort waren sie an seiner Seite und stützten ihn.
    »Oh, ich bin so froh, dass ich euch gefunden habe«, sagte Timaq mit schwacher Stimme. »Verzeiht mir, dass ich euch nicht beschützen konnte. Auch ich bin überfallen worden. Ich habe gesehen, wie die Kerle euch auf ihre struppigen Pferde gesetzt und mitgenommen haben. Ich bin euch gefolgt, bin aber nur langsam vorangekommen. Mein Bauch … Ein Messer hat eine tiefe Wunde in mein Innerstes gerissen.«
    »Leg dich nieder, Timaq. Du musst dich ausruhen«, rief Runa bestürzt aus.
    Gemeinsam legten sie den alten Mann auf den Boden, und Erdis besah sich seine Wunde. Sie legte einige Kräuter auf, und Runa holte Wasser aus einer nahe gelegenen kleinen Quelle.
    Als Timaq die Augen schloss, sah Runa Erdis fragend an. Diese schüttelte traurig den Kopf. Der alte Mann würde nicht mehr lange leben. Betroffen ließ Runa den Kopf hängen.
    Gegen Abend – es wurde schon dunkel – öffnete Timaq noch einmal die Augen. Die Frauen hatten sicherheitshalber kein Feuer entzündet. Sie wollten möglichen Suchtrupps aus Kansbars Lager keine unnötigen Vorteile verschaffen.
    »Komm zu mir, Runa«, sprach der alte Schamane mit leiser Stimme.
    Runa folgte seiner Bitte. Als Timaq ihre Hand in seine nahm, spürte sie, wie schwach er war. Das Leben wich schnell aus seinem Körper.
    »Ich habe nicht mehr lange zu leben. Aber ich hatte die Gnade, noch einmal einen Traum von den Geistern zu empfangen.« Er hielt inne. Das Sprechen fiel ihm schwer.
    »Es bleibt keine Zeit mehr für eine lange Zeremonie, wie es eigentlich üblich ist. Ich übertrage deshalb hier, an diesem Ort, in diesem Augenblick und ohne große Reden, meine Kräfte auf dich, Runa. Die Geistwesen wollen es so, das ist mir in meinem Traum gezeigt worden. Es ist ein Geschenk von mir an dich, damit du sicherer weiterreisen kannst.«
    Runa sah den alten Mann schweigend an. Das Licht in seinen Augen verblasste mehr und mehr. Als er sie schließlich um den Talisman bat, gehorchte sie nur zu gern.
    Timaq hielt den Talisman einen Augenblick lang in seinen Händen, dann lächelte er zufrieden und reichte ihn an Runa zurück.
    »Nun will ich dir noch zeigen, was meine größte Gabe an dich ist.«
    Bevor Runa sichs versah, lösten sich ihre Füße vom Boden. Ihr Körper erstarrte. Dann kippte er langsam nach hinten, und sie schwebte waagerecht und eine gute Ellenlänge über der Erde.
    Plötzlich drehte sich alles um sie herum – vielleicht war es auch sie selbst, die sich in der Luft um die eigene Achse drehte.
    Und auf einmal verspürte sie ein seltsames Ziehen …

K APITEL 16

Offenbarung
    C had stand auf der Veranda der kleinen Jagdhütte und sah zu den Sternen empor. Irgendwo, das wusste er, sah Myra jetzt dieselben Sterne.
    Er seufzte. Ihr hübsches Gesicht ging ihm einfach nicht aus dem Sinn. Und ihr Lachen. Was würde er dafür geben, wenn er jetzt ihr herzliches, unbefangenes Lachen hören könnte.
    In diesem Augenblick wurde ihm bewusst, dass es nicht nur die Sorge um Myras Sicherheit war, die ihn unruhig sein ließ. Es war mehr. Viel mehr. Er fühlte eine Leere in sich, seit Myra fort war. Eine Leere, die er jedes Mal gespürt hatte, wenn sie während der letzten Tage getrennt gewesen waren. Ein Stück von ihm fehlte, wenn Myra nicht bei ihm war, und er lebte nicht in dem Gleichgewicht, das für sein Volk so bedeutsam war.
    Jedes Wesen hatte sein Gleichgewicht, musste sein Gleichgewicht bewahren, damit es nicht die Harmonie des Ganzen störte. Die Pflanzen hatten ihr Gleichgewicht, die Tiere, die Erde. Geben und nehmen, hell und dunkel, gut und böse. Myra brachte Chad ins Gleichgewicht, und es war gestört, jetzt, wo sie nicht bei ihm war.
    Meghali trat zu ihm auf die

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