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Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Titel: Der Ruf des weißen Raben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanna Seven Deers
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Krieger erhoben sich und gingen auf die beiden Frauen zu, ergriffen sie an den Schultern und stießen sie am Rand des Zeltes zu Boden. Dort warteten Runa und Erdis still, bis sich der Kreis der Ältesten in Kansbars Zelt versammelt hatte.
    Kansbar rückte seine massige Gestalt auf dem Berg aus Fellen zurecht und richtete sich in überheblichem Ton an die Ältesten.
    Runa und Erdis konnten seine Worte nicht verstehen, aber sie erkannten den Hohn auf seinem Gesicht.
    Dann gab er Runa die Gelegenheit, sich an die Ältesten zu wenden.
    Sie erhob sich. Eine alte Frau übersetzte ihre Worte für die Ältesten. Runa erklärte abermals und mit betont ruhiger Stimme, wie wichtig ihre Aufgabe war und wie notwendig es sei, dass Erdis sie begleite.
    Sie schloss mit den Worten: »Euer ehrenwerter Anführer Kansbar schenkt meinen Worten keinen Glauben. Er will uns mit einem Fluch belegen. Ich aber sage, dass ich die Wahrheit spreche, und ich warne euch: Die Geister sind meine Zeugen, und jeder Fluch, den Kansbar gegen mich richtet, wird an der Wahrheit meiner Worte abprallen und um ein Vielfaches schlimmer auf ihn selbst zurückfallen.«
    Runa stand mit erhobenem Haupt vor den versammelten Ältesten und sah sie direkt an. Sie hatte keine Angst. Sie hatte die Wahrheit gesprochen. Die Geister waren auf ihrer Seite. Dann setzte sie sich neben Erdis auf den Boden und wartete schweigend auf die Entscheidung der Ältesten.
    Wieder wandte Kansbar sich an die Ältesten, und die beiden Frauen schlossen, dass er ihnen seine Meinung darlegte. Niemand übersetzte seine Worte für sie.
    Als Kansbar geendet hatte, begannen die Ältesten damit, sich zu beraten.
    Runa konnte an ihren Gesten ablesen, dass sie sich dem Wort ihres Anführers anschließen würden. Es würde keine gerechte Entscheidung fallen. Erdis’ Worte echoten in Runas Kopf.
    Benutze deine erworbenen Gaben, um dich aus dieser unglücklichen Lage zu befreien.
    Aber Runa durfte nicht nur sich selbst retten, sie durfte Erdis nicht in diesem erbärmlichen Lager zurücklassen. Ihre Begleiterin würde dem Willen Kansbars hilflos ausgeliefert sein.
    Sie lenkte ihren Willen darauf, die Entscheidung der Ältesten zu ihren Gunsten zu beeinflussen, und sie erschrak über die plötzliche Welle aus Kraft, die sie in sich spürte.
    Diese Kraft brachte mächtige Geistwesen hervor. Zwölf riesige Löwen erschienen – einer für jeden der anwesenden Ältesten. Sie stellten sich neben die Ältesten und platzierten ihre gewaltigen aufgerissenen Mäuler an deren Hälse, so dass ihre blitzenden Zähne sie beinahe berührten.
    Runa war sich sicher, dass niemand außer sie selbst diese mächtigen Geistwesen sehen konnte. Sie wartete ruhig und konzentriert, was nun geschehen würde.
    Als Kansbar die Ältesten kurz darauf mit einem herablassenden Lächeln aufforderte, ihre Entscheidung vorzutragen, geschah etwas für ihn Unvorstellbares: Die Ältesten fügten sich nicht der von ihm vorgegebenen Entscheidung, sondern richteten sich gegen ihn!
    »Ich glaube den Worten der Frau. Sie und ihre Begleiterin sollen freigelassen werden und unbehelligt ihres Weges gehen«, sprach der erste Älteste.
    Das Lächeln verschwand von Kansbars Gesicht.
    Die elf anderen Ältesten sprachen dieselben Worte und schwiegen dann. Sie waren wie erstarrt.
    Kansbar sah sich verwirrt um. Was war mit seinen Ältesten geschehen? Dann fiel sein Blick auf Runas konzentriertes Gesicht. Konnte sie tatsächlich die Macht besitzen, seinem Willen zu widerstehen und seine Ältesten zu beeinflussen? Dann sollte sie erst recht bei ihm bleiben. So eine Gabe würde ihm überaus hilfreich sein bei seinen Raubzügen!
    Runa erkannte Kansbars neues Interesse an ihr, und sofort richtete sie all ihre Konzentration auf ihn. Die Löwen wichen von der Seite der Ältesten, sprangen auf Kansbar zu und rissen ihn zu Boden. Für die Umstehenden sah es so aus, als sei eine unsichtbare Macht am Werk. Nur Runa verfolgte, was wirklich vor sich ging.
    »Wir müssen fort von hier«, raunte sie Erdis zu.
    Die beiden Frauen verließen ruhig und mit erhobenem Haupt das Zelt.
    Erdis blickte sich noch einmal um, um sich zu vergewissern, dass sie richtig gesehen hatte. Kansbar lag noch immer am Boden, die Augen weit aufgerissen vor Entsetzen, und keiner seiner Männer rührte sich, um ihm zu helfen.
    Erdis warf Runa einen fragenden Blick zu.
    »Geh weiter«, meinte diese nur, und Erdis fragte nicht weiter.
    Am späten Nachmittag tauchte plötzlich eine einzelne

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