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Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Titel: Der Ruf des weißen Raben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanna Seven Deers
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bewundernd an und tat es ihr gleich.
    Der einzelne Reiter näherte sich ihnen bis auf wenige Schritte, sein schwarzer, mit roten Verzierungen versehener Umhang wehte in der Morgenbrise.
    Runa musterte den Mann. Er trug weite schwarze Hosen, die ebenfalls mit roten Verzierungen geschmückt waren und deren Enden in hohen geschnürten Stiefeln steckten, und eine langärmelige, weitgeschnittene braune Tunika mit einer Doppelreihe aus Hornknöpfen. Ein breiter lederner Gürtel schmückte seinen Oberkörper, und seine langen schwarzen Haare waren im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden. Der Mann war weder groß noch kräftig, wie es die Männer in ihrem Heimatdorf gewesen waren, aber seine Körperhaltung verriet Runa, dass er zäh und muskulös war. Der Mann musste ungefähr so alt sein wie sie. Seine Gesichtszüge wirkten ruhig, und in seinen dunklen, mandelförmigen Augen lag keine Angriffslust, als er die beiden Frauen aufforderte, mit ihm zu kommen.
    Es war genau dieser Ausdruck, der Runa und Erdis dazu veranlasste, dem Reiter widerstandslos zu folgen. Er führte sie zurück zu der Stelle, wo die anderen Männer auf ihn warteten.
    Einer der Männer führte zwei kleine gesattelte Pferde am Zügel, und der Mann, der Runa und Erdis geholt hatte, bedeutete ihnen aufzusteigen.
    Die Frauen gehorchten, und der kleine Zug setzte sich in Bewegung.
    Sie ritten an den leblosen, von Wunden übersäten Männern vorbei, die im Kampf gefallen waren. Runa wollte lieber nicht genauer hinsehen. Wann würden die Menschen endlich aufhören, sich zu bekämpfen?
    Die Frauen galoppierten hinter den Männern her über die Weite der Steppe. Runa wusste, dass Erdis dem Reiten nichts abgewinnen konnte. Sie selbst stellte jedoch zu ihrer Überraschung fest, dass ihr das Reiten mehr und mehr gefiel. Die kleinen Pferde waren kräftige Wesen, und Runa spürte, dass sie es liebten, über die Steppe zu jagen. Die langen Mähnen der Tiere wehten im Wind, der auch ihr eigenes Haar durch die Luft wirbelte. Und obwohl sie den Männern zu einem ungewissen Ziel und in eine ungewisse Zukunft folgten, fühlte Runa einen kurzen Augenblick lang ein kostbares Gefühl von Freiheit. Ein Lächeln legte sich auf ihr Gesicht, während sie die Landschaft an sich vorbeifliegen sah. Es war beinahe, als schwebte das Pferd über dem Boden und sie mit ihm. Runa konnte sich nicht daran erinnern, dass sie sich in den vergangenen Monden jemals so gut gefühlt hatte! Sie war glücklich und befand sich im Einklang mit all der Verantwortung, die sie trug.
    Viel zu schnell neigte sich der Ritt seinem Ende, und die Männer vor ihr zügelten ihre Pferde zu einem genügsameren, aber auch viel unbequemeren Trab. Am Horizont tauchte eine Kette von Hügeln auf, die mit Bäumen bedeckt zu sein schienen.
    Kurze Zeit später näherten sie sich einigen Zelten, die, umgeben von einer festen Palisade aus Holz, aus der Steppe emporragten. Direkt vor der Palisade schlängelte sich ein Flüsschen durch die Ebene, auf der große Pferdeherden grasten. Ein paar Dutzend Menschen, Frauen, Kinder und Alte, strömten aus einem Tor in der Palisade auf die Steppe heraus und eilten den Reitern entgegen. Die Leute scharrten sich um drei Pferde, die sich hinter Runa und Erdis befanden. Die beiden Frauen hatten sie bisher nicht gesehen. Auf den Pferden saßen drei junge hübsche Mädchen mit langen schwarzen Haaren und dunklen Augen. Lachend begrüßten sie die Wartenden. Hinter ihnen folgte ein Mann, offensichtlich ein Gefangener. Seine Hände waren vor dem Bauch mit starken Seilen zusammengebunden. Runa atmete auf. Erdis und sie waren allem Anschein nach also keine Gefangenen.
    Der Zug zog im Schritttempo in das kleine Dorf ein.
    Plötzlich stieg ein seltsames Gefühl in Runa auf. Ein Schauer lief durch ihren Körper, und sie musste sich an ihr kleines Pferd klammern, um nicht hinunterzufallen. Bilder tauchten vor ihrem geistigen Auge auf, schreckliche Bilder, fremde Bilder.
    Sie sah ein Dorf, größer, als sie je eines gesehen hatte. Statt Zelte gab es merkwürdige Behausungen, die wie Klötze aussahen. Sie schienen aus Stein erbaut und wiesen an allen Seiten Öffnungen auf, so dass sie kaum Schutz boten vor Regen und Kälte. Viele Menschen wohnten dort, sehr viele. Sie trugen eine seltsame Kleidung, die weder aus Fellen noch aus Leder gefertigt war, und fremdartig aussehende Schuhe. Zwischen den Gebäuden standen die seltsamsten Dinger: Rechteckig und oben beinahe vollkommen durchsichtig, standen sie

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