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Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Titel: Der Ruf des weißen Raben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanna Seven Deers
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war kräftig gebaut und sogar im Sitzen fast einen Kopf größer als Xansu Shi. Runa nahm an, dass sie sogar größer war als Erdis. Ihr Gesicht war lang und oval, und ihre großen, runden dunklen Augen sahen die beiden Frauen freundlich an. Ihr krauses schwarzes Haar war kurz geschnitten und mit einem bunten Tuch verziert. Das Tuch war das einzig Fremde an ihrer Kleidung. Alles andere entsprach dem der anderen Frauen im Dorf, aber an der Unbekannten sah die Kleidung vollkommen anders aus, denn ihre Haut war dunkel.
    »Seid willkommen in meinem Zelt«, sagte Xansu Shi durch die alte Frau, die schon am Vormittag für ihn übersetzt hatte, zu Runa und Erdis. »Ich möchte euch meine Frau Tego vorstellen. Tego, dies sind die beiden Frauen, von denen ich dir erzählt habe.«
    Die Frauen begrüßten sich, und Xansu Shi forderte sie auf, sich zu setzen.
    »Zuerst essen wir, dann sprechen wir«, sagte er lächelnd, während drei Frauen verschiedene Schalen mit dampfenden Gerichten vor ihnen auf den Boden stellten.
    Zu Beginn gab es eine Art Gemüsesuppe, dann folgten verschiedene Fleisch- und Gemüsesorten. Den Abschluss bildete eine süße Speise, die Runa und Erdis nicht kannten und die ihnen schwer im Magen lag, da sie nicht gewohnt waren, Süßes zu essen.
    Nachdem sie die Mahlzeit beendet hatten und die leeren Schalen weggeräumt waren, drängten sich sechs Kinder durch den Zelteingang und stürmten auf Xansu Shi und Tego zu. Die beiden nahmen die Schar lachend in die Arme.
    »Unsere Kinder«, erklärte Xansu Shi stolz.
    Das älteste Kind musste ungefähr zehn Jahre alt sein, das jüngste vielleicht zwei. Alle sahen aus wie eine vollkommene Mischung ihrer Eltern: Einige hatten glatte Haare, andere krause; einige hatten große, runde Augen, andere geschwungene, mandelförmige. Aber alle hatten schwarze Haare und eine etwas dunklere Haut. Die Kleinen krabbelten und spielten überall im Zelt, das mit einem Mal viel kleiner wirkte.
    Über die fröhlichen Kinderstimmen hinweg unterhielten sich Xansu Shi und Tego mit den Frauen.
    »Ihr müsst euch manchmal sehr einsam fühlen, so weit fort von zu Hause und ein ungewisses Ziel vor euch«, sagte Xansu Shi.
    Runa nickte. »Manchmal«, erwiderte sie leise.
    »Ich ahne, wie ihr euch fühlt«, sagte Xansu Shi. »Auch Tegos Heimat ist weit, weit entfernt von hier, und sie erzählt mir oft davon.«
    »Ich fühle mich aber jetzt sehr wohl hier«, fiel Tego ihm ins Wort. »Die Geburt der Kinder hat mir sehr geholfen.« Sie sah Runa und Erdis vielsagend an.
    »Ich weiß, dass ihr nicht für immer hierbleiben könnt«, wandte Xansu Shi ein. »Aber ich werde tun, was in meiner Macht steht, damit euer Aufenthalt in unserem Dorf und die Reise durch dieses Land so angenehm wie möglich wird für euch. Doch nun folgt mir nach draußen. Ich habe etwas für euch vorbereitet.«
    Draußen legte sich gerade die Dämmerung über das Dorf. Eine kühle Brise wehte und strich Runa sanft durchs Haar. Vor vielen Zelten brannte Feuer, dessen lodernde Flammen in den klaren Abendhimmel emporstiegen. Rauch lag in der Luft. Runa genoss den Geruch. Eine friedliche Stille, die nur durch das unbefangene Spiel der Kinder unterbrochen wurde, breitete sich über dem Lager aus. Die Atmosphäre erinnerte Runa an ihr eigenes Zuhause, und sie spürte einen Stich in ihrem Herzen.
    Xansu Shi führte sie zu einem freien Platz zwischen den Zelten und bedeutete ihnen zu warten. Er rief einen seiner Männer zu sich und redete kurz mit ihm. Der Mann entfernte sich, kam jedoch schon bald mit zwei langen, stabilen Stöcken zurück.
    »Xansu Shi möchte euch seine Kampfkunst zeigen«, erklärte Tego, die neben den beiden Frauen stand, durch die alte Übersetzerin. »Passt gut auf.«
    Xansu Shi und der andere Mann stellten sich voreinander auf, verbeugten sich kurz und hoben die Stöcke.
    Mit angehaltenem Atem beobachtete Runa die schnelle Folge von Bewegungen und Schlägen, die die Männer ausführten. Ihre Körper waren ihre eigentlichen Waffen, die Stöcke waren nur ihr Hilfsmittel.
    Der Kampf dauerte an. Die beiden Männer schienen gleichwertige Gegner zu sein. Doch plötzlich versetzte der andere Mann Xansu Shi einen so starken Hieb, dass der Anführer wie leblos zu Boden sank.
    Runa schrie entsetzt auf. Xansu Shi hatte Erdis und ihr seine Kampfkunst vorführen wollen, sie fühlte sich verantwortlich.
    Die drei Frauen eilten zu Xansu Shi. Dabei bemerkte Runa, dass Tego ein Lächeln auf dem Gesicht hatte. Verstand sie denn

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