Der Ruul-Konflikt 3: In dunkelster Stunde
innen.«
»Mit Ihrem Gehör und Ihren Arterien ist alles in Ordnung«, beruhigte ihn der SES-Chef lächelnd. »Sie haben schon richtig verstanden. Wir haben vor, ein Team zu rekrutieren und auszubilden, um in dieses Schiff einzudringen, dort Sprengladungen zu legen und es zu zerstören. Damit schalten wir nicht nur die ruulanische Führung aus, sondern stürzten die Ruul vielleicht sogar ins Chaos.«
»Welches ROCKETS-Team schlagen Sie für eine solche Selbstmordmission vor?«
Bates wechselte einen schnellen Blick mit Nogujama. Dieser verstand den Wink und sprang für seinen Geheimdienstkollegen in die Bresche.
»Nun ja, wie bereits erwähnt, werden die ROCKETS für die Ausbildung der örtlichen Widerstandskämpfer gebraucht. Und zwar alle ROCKETS. Andere Spezialeinheiten sind ebenfalls im Einsatz oder für eine Mission von solchen Ausmaßen nicht hinreichend ausgebildet. Unsere Ressourcen sind bis an ihr absolutes Limit beansprucht.«
»Und das heißt …?«
»Das heißt, dass wir uns an Orten nach Männern und Frauen für diesen Einsatz umsehen müssen, an dem man für gewöhnlich eher weniger nach Patrioten sucht.«
Magnus sah aufmerksam in die Runde, doch diesmal wich jeder der Anwesenden peinlich berührt seinem Blick aus.
»Würde mir endlich jemand sagen, was in Ihren Köpfen vorgeht?«
Nogujama umriss in groben Zügen, was sie sich ausgedacht hatten, und Magnus musste seine ursprüngliche Einschätzung revidieren. Nur zu behaupten, dass ihm der Plan nicht gefiel, war eine glatte Untertreibung. Was seine Stabschefs sich da ausgedacht hatten, war schlichtweg Wahnsinn.
Als Harkon Magnus drei Stunden später den Plenarsaal des Parlaments des Terranischen Konglomerats betrat, wurde er von einem Blitzlichtgewitter der Medien empfangen. Er versuchte, seine Augen nicht allzu sehr zuzukneifen. So etwas machte sich auf Zeitungsfotos oder im Fernsehen nie besonders gut. Begleitet wurde er nur von Nogujama. Bates und die übrigen Offiziere hatten sich bereits aufgemacht, alle notwendigen Schritte einzuleiten. Auch der MAD-Chef würde noch vor dem Einbruch der Nacht aufbrechen. Ein Schiff stand bereits im Orbit bereit, um ihn nach der heutigen Krisensitzung zu seinem Bestimmungsort zu bringen.
Alles, was noch fehlte, war die Zustimmung des Parlaments. Sollten die Abgeordneten dem Plan nicht zustimmen, wäre Nogujamas anstehende Reise sinn- und zwecklos geworden. Alles hing von den nächsten paar Minuten ab. Und davon, wie überzeugend er auf die Abgeordneten wirkte.
Ohne Umschweife ging Magnus zu seinem Rednerpult an der nördlichsten Ecke des Raumes. Nicht nur die Presse, sondern auch 409 Augenpaare beobachteten aufmerksam jede seiner Bewegungen. Er war sich unangenehm der Fernsehkameras auf der Tribüne bewusst, die die Sitzung live übertrugen. Was er nun tun musste, würde einen Sturm der Entrüstung entfachen. Aber wie Nogujama bereits auf der Fahrt hierher gesagt hatte, entweder sie stoppten den Vormarsch der Ruul oder sie wurden binnen weniger Monate überrannt.
Als er seinen Platz mit langsamen, angemessenen Schritten erreicht hatte, wandte er sich endlich den Abgeordneten der 62 kolonisierten Systeme zu. Wie viel Abgeordnete jedes System ins Parlament entsenden durfte, hing von der Bevölkerung der jeweiligen Kolonie ab. Einige Kolonien stellten acht, andere nur einen oder zwei Abgeordnete. Das Solsystem als Heimat der Menschheit stellte zehn Abgeordnete, die direkt gegenüber dem Rednerpult saßen.
Magnus betrachtete die Gesichter der Abgeordneten. Die Emotionen, die er wahrnahm, reichten von Angst über Unsicherheit bis hin zu Neugier. Nogujama stellte sich schweigend direkt hinter ihn. Es war ungewöhnlich, dass bei einer Sitzung des Parlaments ein Militär anwesend war. Dass Nogujama hier war, und das auch noch in voller Uniform, machte einige Abgeordnete sichtlich nervös. Sie begannen zu begreifen, dass etwas Schreckliches vorgefallen war.
Magnus räusperte sich verhalten.
»Sehr geehrte Abgeordnete des Parlaments, liebe Mitbürger zu Hause an den Fernsehschirmen, verehrte Vertreter der Medien«, begann er seine Rede. »Ich trete heute erfüllt von tiefer Trauer und Bestürzung vor ihr Antlitz. Und ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich nicht weiß, wie ich ihnen folgende Mitteilung schonend beibringen kann. Genauso wenig schäme ich mich zuzugeben, dass mir Tränen der Scham und des Schmerzes kamen, als ich heute diese Nachricht erhielt.«
Es wurde mucksmäuschenstill im Saal.
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