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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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laut.
    »Feierabend! – Das gilt natürlich nur für mich, Napoleon. Ich bin nur ein Mensch. Tut mir leid, aber ich kann dir auch heute keine Freispielzeit geben. Sag mal –«, Timothy kicherte, »machst du häufig Gedichte?«
    Napoleon räusperte sich, Timothy gab seinen Snarr frei.
    »Muß ich die Frage beantworten, Sir?«
    »Nein. Nur, wenn du willst. Was mich wirklich interessiert: Träumst du?«
    »Mir liegen zuwenig Informationen über das Wesen menschlicher Träume vor, um exakte Vergleiche anzustellen. Wenn Sie damit freie, unterbewußte gedankliche Assoziationen meinen – ja, Sir.«
    »Die Intellektroniker sind bei deiner Doppelung auf merkwürdige Gebilde gestoßen, die sie für Binärtraumwelten halten.«
    »Schon möglich, Sir. Verzeihen Sie, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß ich tatsächlich gedoppelt wurde.«
    »Finde dich einfach mit der Tatsache ab, mein Guter. Selbst meine Vorstellungskraft reicht oft nicht aus.«
    »Sie haben mir gegenüber mehrfach behauptet, die menschliche Phantasie sei unbegrenzt!«
    »Im Prinzip, ja.«
    »Und im Konkreten?«
    »Nun –«, Timothy überlegte kurz, »ich kann mir zum Beispiel ausrechnen, es in Zahlen erfassen, daß in der Sonne in jeder Sekunde vier Millionen Tonnen Wasserstoff explodieren, aber vorstellen? Kannst du dir das vorstellen?«
    »Ich sehe da kein Problem.«
    »Du hast es gut«, seufzte Timothy, »du erfaßt die ganze dir zugängliche Welt mathematisch-logisch, ich aber lebe vor allem durch meine Sinne, und die sind leider nicht für wissenschaftliche Erkenntnis geschaffen. Ja, theoretisch ist unsere Phantasie unbegrenzt, wenn ich jedoch bedenke, wie phantasielos die Menschheit von Unglück zu Unglück stolpert, finde ich die menschliche Vorstellungskraft recht beschränkt und eigentlich erbärmlich.«
    »Ich möchte Ihnen ein Zitat bringen, Sir: ›Die Zeit wird kommen, wo wir durch Benutzung der magnetischen Wellen, die den Äther durchdringen, zu den Antipoden reden können.‹
    Das hat im Jahr sechzehnhundertelf ein englischer Dorfpfarrer prophezeit. Ich finde das ein ermutigendes Beispiel für humanoide Phantasie und eine für einen Menschen geradezu erstaunliche Prognose. Vielleicht tröstet Sie das etwas?«
    Timothy mußte laut lachen. »Danke, mein Lieber, sehr tröstlich. Fühlst du dich eigentlich dem Menschen sehr überlegen ?«
    »Das ist eine Frage, die man nicht mit Ja oder Nein beantworten kann.«
    »Sobald wir hier fertig sind, wirst du den Intellektronikern eine Menge von Fragen beantworten müssen, Napoleon!«
    »Wenn sie die richtigen Fragen stellen ... Ich denke, ich weiß, worauf Sie anspielen, Sir, auf die irrationalen Transversionen, die Superversitäten und Tripolwanderungen ... Hoffentlich werden sie meine Antworten verstehen. Allein die polysynchrone Heterologik, die ich entwickelt habe, verlangt doch ...«
    »Stopp, mein Lieber, stopp! Nicht mit mir sollst du darüber reden. Obwohl, ich finde, wir sollten uns einmal aussprechen. Ich weiß, eine deiner Stärken sind deine Diskreten Systeme, mir scheint jedoch, daß du gar zu diskret bist und daß dein Output-Verhalten zu wünschen übrigläßt. Das mindeste, was ich verlange, ist, daß du mir alle ›Nach-Fragen‹ zeigst, okay?«
    »Ihr Wunsch ist mir Befehl«, erwiderte Napoleon.
    »Und dabei wollen wir auch bleiben«, sagte Timothy.
    9.
    Timothy hatte Josuah Trevers auf später vertröstet und Doc zum Abendbrot eingeladen. Es gab geräucherten Lachs auf Toast, Hummerbrühe, Lammnüßchen mit glasierten Herzkirschen und Kartoffelbrei, als Nachspeise Himbeeren in Champagner. Doc war begeistert. »Ich freue mich, daß du deine Tage wieder mit Kochen statt mit Fixen verbringst, Tiny.«
    »Oh, das habe ich nebenbei angerichtet«, erwiderte Timothy. »Ich habe den ganzen Tag hart gearbeitet, aber du weißt ja: Wenn ich an einem Problem hängenbleibe, gehe ich am liebsten in die Küche.«
    »Arbeit ist das Beste, um zu vergessen«, sagte Doc.
    »Ich will nicht vergessen, ich will mich erinnern! Deshalb ...
    Ich habe Angst, daß ich Anne viel zu schnell vergessen werde, Doc. Es war doch die einzige Zeit in meinem Leben, die wirklich Leben genannt zu werden verdient. Eine so kurze Zeit. Ich möchte mich an jede Sekunde erinnern, aber ich merke schon jetzt, wie die Bilder verblassen. Eines Tages bleibt nur noch eine Handvoll stereotyper Motive. Und Erinnerungen an Erinnerungen: Du weißt, da war noch etwas, aber du kannst es nicht hervorzwingen, wie verzweifelt du auch

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