Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
hindurch lässt sich das nicht erkennen.
»Aua«, flüstert Agnes im Schlaf. »Aua, aua …«
Anders Rönn erreicht das Messer gerade so mit den Fingerspitzen, als er unter dem Bett glimmende Augen in einem runzligen Gesicht sieht.
Es ist Jurek Walter – der sich blitzschnell bewegt, seine Hand packt und zieht.
Anders wird davon wach, dass er den Arm wegreißt. Er atmet schnell und bemerkt, dass er auf der Couch vor dem Fernseher eingeschlafen ist. Er schaltet den Apparat aus, bleibt aber mit pochendem Herzen sitzen.
Das Licht von den Scheinwerfern eines Autos fällt durchs Fenster. Ein Taxi dreht im Wendekreis und verschwindet. Kurz darauf öffnet sich leise die Haustür.
Es ist Petra.
Er hört, dass sie zum Badezimmer geht, pinkelt und sich abschminkt. Er nähert sich langsam, sieht das Licht aus dem Badezimmer in den Flur fallen.
70
Anders Rönn steht in der Dunkelheit und betrachtet seine Frau im Spiegel über dem Waschbecken. Sie putzt sich die Zähne, spuckt aus, führt Wasser in der gewölbten Hand an den Mund und spuckt wieder aus.
Als sie ihn entdeckt, huscht ein Ausdruck von Angst über ihr Gesicht.
»Du bist noch wach?«
»Ich habe auf dich gewartet«, sagt Anders mit fremder Stimme.
»Das ist lieb von dir.«
Sie schaltet das Licht aus, und er folgt ihr ins Schlafzimmer. Sie setzt sich auf die Bettkante und cremt ihre Hände und Ellbogen ein.
»Hattest du Spaß?«
»Es war okay … Lena hat einen neuen Job gefunden.«
Anders schnappt ihre linke Hand und hält das Handgelenk fest umschlossen. Sie begegnet seinem Blick.
»Du weißt, dass wir morgen früh rausmüssen.«
»Halt den Mund«, sagt er.
Sie versucht sich freizumachen, aber er packt ihre andere Hand und presst sie aufs Bett.
»Aua …«
»Du hältst den Mund!«, sagt er.
Er presst ein Knie zwischen ihre Schenkel, und sie versucht, sich ihm zu entwinden, wird dann aber ruhig und sieht ihn an.
»Ich meine es ernst: stopp … Ich muss schlafen«, sagt sie leise.
»Ich habe auf dich gewartet.«
Sie sieht ihn eine Weile an, nickt schließlich und sagt:
»Schließ die Tür ab.«
Er verlässt das Bett, lauscht in den Flur hinaus, wo alles still ist, und schließt ab. Petra hat das Nachthemd ausgezogen und öffnet gerade die Schublade. Lächelnd holt sie die weichen Seile und die Plastiktüten mit der Peitsche, dem Massagestab und dem großen Dildo heraus, als er sie aufs Bett stößt.
Sie bittet ihn aufzuhören, aber er zerrt ihren Slip so gewaltsam herunter, dass sie rote Striemen auf den Hüften bekommt.
»Anders, ich …«
»Sieh mich nicht an«, unterbricht er sie.
»Entschuldige …«
Als er sie hart, etwas zu hart fesselt, wehrt sie sich nicht. Möglicherweise ist sie durch den Alkohol apathischer als sonst. Er spannt das Seil um den einen Bettpfosten und zwingt ihre Schenkel weiter auseinander.
»Aua«, jammert sie.
Er holt die Augenbinde, und sie schüttelt den Kopf, als er sie ihr übers Gesicht zieht. Sie versucht, sich loszumachen, und reißt so an den Seilen, dass ihre großen Brüste wippen.
»Du bist so schön«, flüstert er.
Es ist vier, als sie aufhören und er die Seile löst. Petra ist stumm, zittert am ganzen Leib und massiert ihre schmerzenden Handgelenke. Ihre Haare sind verschwitzt, auf ihren Wangen haben Tränen Striemen hinterlassen, und die Augenbinde ist heruntergerutscht und hängt um ihren Hals. Als sie nicht mehr wollte, einfach nicht mehr konnte, hat er ihr den zerrissenen Slip in den Mund gestopft.
71
Gegen fünf gibt Saga endgültig den Versuch auf, Schlaf zu finden. Es bleiben ihr noch neunzig Minuten. Dann wird sie abgeholt. Als sie ihre Trainingskleider anzieht und die Wohnung verlässt, ist ihr Körper bleischwer.
Sie joggt zwei Häuserblocks und läuft anschließend schneller, als es zum Ufer des Mälarsees hinuntergeht.
Sie läuft durch die stillen Straßen. Der Neuschnee ist so luftig, dass man ihn unter den Füßen nicht spürt.
Sie weiß, dass sie immer noch einen Rückzieher machen kann, aber an diesem Tag hat sie die Absicht, ihre Freiheit aufzugeben.
Die Menschen im Stadtteil Södermalm schlafen noch. Über dem Licht der Straßenlaternen ist der Himmel schwarz.
Saga läuft schnell und denkt darüber nach, dass sie keine fingierte Identität bekommen hat, sie wird unter ihrem eigenen Namen eingewiesen und braucht nichts anderes auswendig zu lernen als die Dosierung ihrer Medikamente. Intramuskuläre Injektionen von Risperdal, wiederholt sie innerlich. Adumbran
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