Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
wirklich keiner glaubt, dass es uns gelingen wird, Felicia zu retten, wenn Jurek Walter nicht mit mir spricht.«
»So darfst du nicht denken«, ermahnt Pollock sie.
»Dann höre ich jetzt damit auf«, erwidert sie lächelnd.
»Gut.«
Sie trommelt wieder mit den Füßen und niest plötzlich in ihre Armbeuge. Ihre hellblauen Augen sind noch glasig, als wäre ein Teil von ihr einen Schritt zurückgetreten, um die Situation aus der Distanz zu betrachten.
Dunkle Häuser huschen auf der Fahrt an ihnen vorbei.
Saga legt ihre Schlüssel, ihr Portemonnaie und andere lose Gegenstände in die für ihre Habseligkeiten vorgesehene Tüte des Strafvollzugswesens.
Bevor sie das Gefängnis erreichen, gibt Pollock ihr das Glasfasermikrofon in einer Kapsel aus Silikon und ein kleines Päckchen Butter.
»Fettes Essen verzögert die Entleerung des Magens«, sagt er. »Ich finde allerdings trotzdem, dass du nicht länger als vier Stunden warten solltest.«
Sie öffnet das Butterpaket, schluckt das Fett und mustert das Mikrofon in der weichen Kapsel. Es liegt darin eingebettet wie ein Insekt im Bernstein. Sie streckt sich, stopft sich die Kapsel in den Mund, legt den Kopf in den Nacken und schluckt. Es schmerzt in der Speiseröhre, und als der Fremdkörper langsam hinunterrutscht, bricht ihr am ganzen Körper der Schweiß aus.
73
Der Morgen ist nach wie vor mitternächtlich schwarz, und in der Frauenabteilung des Kronoberg-Gefängnisses brennen alle Lampen.
Saga tritt zwei Schritte vor und bleibt stehen, als sie angewiesen wird, nicht weiterzugehen. Sie versucht, sich von der Außenwelt abzuschotten und niemanden anzusehen.
Die Wärme lässt die Heizkörper ticken.
Nathan Pollock legt die Tüte mit ihren Sachen auf den Tresen und übergibt Sagas Unterlagen, erhält eine schriftliche Quittung und verschwindet anschließend.
Von nun an muss sie alleine zurechtkommen, ganz gleich, was auch passieren mag.
Die automatischen Tore surren lange und verstummen dann abrupt.
Niemand sieht sie an, aber sie merkt, dass sich ein gewisser Ernst einstellt, als die Strafvollzugsbeamten sehen, dass für sie die höchste existierende Sicherheitsstufe gilt.
Bis zu ihrem Weitertransport soll sie streng isoliert werden.
Saga steht ganz still, hat den Blick auf den gelben Kunststoffboden gerichtet und beantwortet keine Fragen.
Bevor man sie durch einen Flur zu dem Raum für Leibesvisitationen führt, wird sie abgetastet.
Zwei stämmige Frauen unterhalten sich über eine neue Fernsehserie, während sie Saga durch eine Tür ohne Glasscheibe führen. Der Raum sieht aus wie ein kleines Untersuchungszimmer mit einer schmalen Pritsche, die von knittrigem Papier überzogen ist, an der Wand stehen abgeschlossene Schränke.
»Ziehen Sie sich aus«, sagt die eine der beiden Frauen in einem neutralen Ton und streift ein Paar Latexhandschuhe über.
Saga folgt ihrer Anweisung und wirft die Kleidungsstücke in einem Haufen auf den Boden. Als sie nackt ist, steht sie im kalten Neonlicht und lässt die Arme herabhängen.
Ihr blasser Körper ist mädchenhaft zierlich, vollendet und athletisch.
Die Vollzugsbeamtin mit den Handschuhen verstummt mitten im Satz und starrt Saga an.
»Okay«, seufzt eine der beiden nach einer Weile.
»Was?«
»Dann werden wir wohl mal tun, was wir tun müssen.«
Behutsam beginnen sie, mit einer Lampe Sagas Mund, Nase und Ohren zu untersuchen, haken jeden einzelnen Punkt in einem Protokoll ab und bitten sie anschließend, sich auf die Pritsche zu legen.
»Legen Sie sich auf die Seite und ziehen Sie das obere Knie so hoch Sie können«, sagt die Frau mit den Handschuhen.
Saga gehorcht ihr ohne Eile, und die Frau stellt sich hinter ihrem Rücken zwischen Wand und Pritsche. Saga schaudert und spürt, dass sie am ganzen Körper eine Gänsehaut bekommt.
Das trockene Papier auf der Pritsche raschelt an ihrer Wange, als sie das Gesicht dreht. Als Gleitmittel aus einer Flasche gepresst wird, schließt sie die Augen.
»Das fühlt sich jetzt ein bisschen kalt an«, sagt die Frau und führt so tief wie möglich zwei Finger in Sagas Scheide ein.
Das tut zwar nicht weh, ist aber sehr unangenehm. Saga versucht, ruhig zu atmen, kann aber ein Stöhnen nicht unterdrücken, als die Frau einen Finger in ihren Enddarm presst.
Die Untersuchung ist nach wenigen Sekunden vorüber, und die Frau zieht die Handschuhe hastig aus und wirft sie fort.
Sie gibt Saga Papier, damit sie sich abwischen kann, und erklärt, dass sie in der Haftanstalt
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