Der sanfte Hauch der Finsternis - Frost, J: Der sanfte Hauch der Finsternis - Destined for an early Grave (Night Huntress/ Cat & Bones 4)
in seiner Vision nicht einfach gesehen und beschlossen hat, mich für sich zu gewinnen, weil ich ein Mischling war oder weil er sich in mich verliebt hatte. Er hat gewusst, dass Gregor mich als Vampirin gesehen hat, die alles um sich herum in ein flammendes Inferno verwandeln kann. Deshalb wollte Gregor mich haben, um meine Macht für sich nutzen zu können. Aber Mencheres wollte das auch. Deshalb hat er Gregor all die Jahre lang eingekerkert. Er wollte meine Macht für sich . Weiter nichts !«
Bones fragte Mencheres nicht, ob ich recht hatte. Seine braunen Augen wurden grün, während er den Mann anstarrte, den er seit über zweihundertzwanzig Jahren kannte.
»Dafür sollte ich dich umbringen.« Seine Stimme war fast ein Knurren.
Mencheres’ Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Glas wäre ausdrucksstärker gewesen. »Vielleicht tust du ja das sogar. Ich konnte die Zukunft nur bis zum heutigen Morgen voraussehen, also nehme ich an, dass ich bald tot sein werde. Nun, da du mein Mitregent bist und Cat ihre Bestimmung erlangt hat, werden meine Leute geschützt sein, wenn ich nicht mehr bin.«
Die undurchdringliche Maske fiel von ihm ab, und trotzige Entschlossenheit machte sich auf Mencheres’ Zügen breit.
»Ja, ich habe Cat Gregor vor zwölf Jahren weggenommen,
damit ihre Macht meinen und nicht seinen Leuten zugutekommt. Ich war es auch, der dir den Tipp gegeben hat, der dich in der Nacht, in der du Cat kennengelernt hast, in diese Bar in Ohio geführt hat, Bones. Findest du das zu manipulativ? Ich nicht. Ich habe eine vieltausendköpfige Sippe, die sich darauf verlässt, dass ich sie beschütze, und das muss mir mehr bedeuten als deine gekränkten Gefühle. Wenn du so lange am Leben bleibst wie ich, wirst du auch lernen, dass es notwendig ist, kalt und manipulativ zu sein, selbst denen gegenüber, die man liebt.«
Bones’ Schnauben klang so verbittert, wie ich mich fühlte. »Du behauptest, du würdest mich lieben? Für dich bin ich doch nur eine Schachfigur.«
Mencheres sah ihn aus seinen dunklen Augen unverwandt an. »Ich habe dich immer geliebt. Wie einen Sohn sogar.«
Bones näherte sich Mencheres. Er trug noch die Kleidung, die er bei der Attacke auf Gregors Haus getragen hatte, beschmiert mit Blut, Ruß und Erde … und dazu noch ein paar Silbermesser.
Mencheres machte keine Bewegung und zuckte nicht mit der Wimper, von seiner ungeheuren Macht war nichts zu spüren, als Bones ein Messer hervorzog.
»Bist du dir deiner Sache so sicher?«, fragte Bones, während er Mencheres mit der Messerspitze über die Brust fuhr. »So überzeugt davon, dass du mich aufhalten kannst, bevor ich dir das Messer im Herz herumdrehe?«
Ich wollte aufspringen und zwischen sie treten. Nicht aus Sorge um Mencheres, sondern weil das Messer vielleicht am Ende ins Bones’ Herz gesteckt hätte, wenn Bones den Meistervampir angegriffen und der sich doch noch verteidigt hätte. Aber meine Beine gehorchten mir nicht.
»Ich könnte dich aufhalten, aber ich werde es nicht tun.«
Mencheres klang sehr erschöpft. »Wenn du nicht anders kannst, tu es, um dich an mir zu rächen. Ich habe schon mehr als lange genug gelebt.«
»Bones«, flüsterte ich, und wusste nicht genau, ob ich ihn damit drängen wollte, das Messer fallen zu lassen – oder es zu benutzen.
Bones’ Hand schloss sich fester um den Messergriff. Mencheres rührte sich nicht. Während ich wartete, kam ich mir trotz meiner fehlenden Atmung vor, als würde ich die Luft anhalten.
Bones machte eine blitzschnelle Handbewegung, und das Messer steckte wieder in seiner Gürtelscheide. »Ich habe es auch schon einmal verdient, den Tod von dir zu empfangen, Mencheres, aber du hast mich am Leben gelassen. Jetzt lasse ich dich am Leben, und damit sind wir quitt. Aber wenn du mich noch einmal anlügst oder mich oder sie benutzt, ändert sich das.«
Bones trat zurück. Mir kam es vor, als wäre Mencheres ein wenig in sich zusammengesunken, ob vor Erleichterung oder Überraschung, wusste ich nicht. Dann setzte sich Bones zu mir und legte mir die Hand auf mein immer noch unbrauchbares Bein.
»Keine Geheimnisse mehr. Woher kommt ihre Macht? Sie ist zu jung, und von mir hat sie sie nicht. Also, wie ist das möglich?«
Mencheres fuhr sich mit der Hand durch sein langes schwarzes Haar, bevor er antwortete. »Vampire trinken menschliches Blut, um die Lebenskraft der Sterblichen in sich aufzunehmen, die sie als Vampire nicht mehr besitzen. Sie aber trinkt kein Menschenblut, weil
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