Der sanfte Kuss des Todes
Zwölfstundenschicht geendet. Er hatte keine Pause gemacht und war am Verhungern. Allein beim Anblick des halb aufgegessenen Hamburgers in der Tüte zog sich sein Magen schmerzhaft zusammen.
»Interessante Bestellung«, sagte er.
»Was denn?« Der Streifenpolizist kam herüber und leuchtete mit seiner Taschenlampe in die Tüte.
»Bic Mac. Große Cola. Zweimal Pommes medium.«
»Ja, und?«
Sullivan blickte auf. »Was ist die größte Portion bei Mickey D’s.?«
Der Polizist zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Meine Frau lässt mich da nicht essen. Bluthochdruck.« Er klopfte sich auf den Bauch.
»Haben Sie Supersize Me gesehen?«
Der Polizist sah ihn verständnislos an.
Sullivan legte die Tüte auf den Beifahrersitz zurück und ging von dem Auto weg.
Achtzehn Tage.
Es war achtzehn Tage her, dass Shelby zum letzten Mal lebend gesehen worden war. Vor einer Woche hatte Janovic ein Zimmer in einem Motel in Meridian, Mississippi, gemietet und bar bezahlt. Am nächsten Tag war sein Gesicht
in sämtlichen Nachrichtensendungen zu sehen gewesen, und er hatte die Stadt verlassen. Alle Zeugenaussagen stimmten darin überein, dass er eine dunkelrote Limousine fuhr und allein unterwegs war. Das letzte Telefonat von seinem Handy hatte Janovic vor drei Tagen mit einer Telefonseelsorgestelle geführt. Es war von einem Funkmast in Shreveport weitergeleitet worden.
Sullivan ging mit knirschenden Schritten über den Kies und betrat den Grasstreifen. Der Geruch von Fichtenspargel stieg ihm in die Nase. Er kam von den hohen Bäumen, die den Highway säumten, eine zweispurige kurvenreiche Straße, die sich von Shreveport durch Louisiana nach Süden wand. War Janovic auf dem Weg nach Mexiko gewesen? An die Küste? Die Kombination aus Kindesentführer und Hunderten von Quadratkilometern Sumpfland gefiel Sullivan überhaupt nicht. Er fragte sich, ob Janovic in Louisiana hatte bleiben wollen oder ob er nur auf der Durchreise gewesen war.
Viele Fragen blieben offen, aber die eine, die seinen Aufenthaltsort betraf, war wenigstens endlich beantwortet.
Sullivan zog sein Handy aus der Jackentasche. Ein bitterer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus, als er auf das Display starrte.
Er konnte es nicht.
Das Unvermeidliche hinauszuschieben war feige, aber er war noch nicht so weit, Annie Sherwood anzurufen. Er musste vorher eine freundliche Stimme hören, mit jemandem reden, der ihm half, die Aufgabe, die den schlimmsten Teil seiner Arbeit darstellte, hinter sich zu bringen. Es gab nur einen Menschen, der das konnte, und er ließ das Telefonverzeichnis über das Display rollen, bis ihre Nummer erschien.
Jack begann im Aufzug damit, sie auszuziehen. Unter ihrem Mantel, was ziemlich aufregend war.
Er schob ihre Bluse nach oben, hakte ihren BH auf und schob ihn zur Seite und als die Aufzugtüren aufglitten, war Fiona bereits so benommen, dass sie kaum noch stehen konnte.
»Ich hoffe, sie ist weg.« Jack wickelte sie in ihren Mantel und zog sie hinter sich den Flur entlang.
»Du scheinst meine Schwester nicht besonders zu mögen.«
Er warf ihr über die Schulter einen Blick zu. »Ich mag sie sehr.«
»Aber …?«
Er blieb vor ihrer Tür stehen und drückte sie dagegen, um sie auf den Hals zu küssen. »Du riechst gut.«
Fiona stieß ihn gegen die Brust. »Raus damit. Was hast du gegen Courtney?«
Er legte den Kopf in den Nacken und stöhnte. »Können wir nicht später darüber reden?«
»Hat sie dich angemacht?«
Er runzelte die Stirn. »Sie hat es dir erzählt?«
»Nein.« Fiona suchte in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. »Das macht sie bei jedem. Sie meint es nicht so. Es ist einfach ihre Art, meine Freunde unter die Lupe zu nehmen.«
»Deine Freunde unter die Lupe nehmen? Sie hat sich mir praktisch an den Hals geworfen. Und zwar zweimal. Hat sie eigentlich eine Ahnung, wie gefährlich …«
Sie zog seinen Kopf zu sich herunter und gab ihm einen Kuss. Nach ein paar lodernden Augenblicken ließ sie ihn wieder los. »Später. Es brennt kein Licht, und es läuft keine Musik, ich denke, wir haben Glück.«
Jacks Hand blieb unter ihrer Bluse, streichelte ihre Brust, während sie den Schlüssel umdrehte und die Tür aufstieß.
Bingo! Die Wohnung war leer. Er musste das Gleiche gedacht haben, denn bevor sie wusste, wie ihr geschah, lag sie auf der Couch. Hastig zog er ihr den Mantel aus, dann kam seine Jacke dran.
»Hast du abgesperrt?«
»Ja.« Er küsste sie. Die halbe Arbeit war bereits getan, und es dauerte
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