Der sanfte Kuss des Todes
etwas zu sagen.«
Sie warf demonstrativ einen Blick auf ihre Uhr. »Ich bin spät dran, ich muss meine Schwester abholen …«
»Wo steht Ihr Auto?«
»In der Tiefgarage.«
Er lächelte sie an. »Wie wär’s, wenn ich Sie zu Ihrem Auto bringe? Dann lass ich Sie in Ruhe, versprochen.«
Sie seufzte. Nicht zum ersten Mal.
»In Ordnung.« Sie steckte die Schlüssel in ihre Manteltasche und ging zum Aufzug. »Was haben Sie vergessen, mir zu sagen?«
»Ich habe vergessen, Ihnen von dem Mohn zu erzählen.«
»Von dem Mohn.« Sie blieb vor dem Aufzug stehen, drückte auf den Knopf und wandte ihm ihr verärgertes Gesicht zu. »Welcher Mohn?«
Die Aufzugtüren glitten auf und er folgte ihr. Sie drückte auf den Knopf fürs Erdgeschoss.
»In Graingerville gibt es den schönsten Mohn von ganz Texas. Direkt vor unserer Haustür. Aus dem ganzen Land kommen Maler und Fotografen zu uns. Wir haben sogar ein Mohnfest.«
Sie sah ihn an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. Das konnte man ihr kaum verdenken.
Sie hob die Augenbrauen. »Und warum wollten Sie mich das unbedingt wissen lassen?«
»Nathan hat mir erzählt, dass Sie Landschaften und Blumen malen.« Wow, die Frau hatte wirklich einen Wahnsinnsmund. Er fragte sich, ob sie vorhatte, heute Nacht jemanden mit diesen Lippen zu küssen. »Die schönsten Wiesen
liegen allerdings etwas versteckt. Ich kann Ihnen eine Privattour anbieten. Sie könnten Ihr Malzeug mitbringen und vielleicht ein Bild für Ihre Ausstellung malen.«
Die Aufzugtüren gingen auf und sie lief durch die Eingangshalle zu einem Seitenausgang. Ihre Absätze klapperten leise auf dem Marmorboden, das Geräusch erinnerte Jack daran, dass es schon eine halbe Ewigkeit her war, dass er sich das letzte Mal mit einer Frau verabredet hatte.
Er hielt ihr die Tür auf, und sie betraten den Durchgang zur Tiefgarage. Sie spürte einen kalten Luftzug. Jack sah sich um, als er neben ihr an den Autoreihen entlangging. Die sparten in dieser Garage für seinen Geschmack zu sehr an Beleuchtung und Überwachungskameras.
Sie blieb vor einem weißen Honda Civic stehen. Ein Hybridauto, nicht schlecht. »Verstehe ich Sie richtig? Sie wollen mir irgendwelche Mohnwiesen zeigen, wenn ich mich damit einverstanden erkläre, Ihnen bei Ihrem Fall zu helfen?«
Er rieb sich das Kinn. »Ich hatte eigentlich nicht an einen Tausch gedacht. Aber das ist eine gute Idee. Natürlich bezahlen wir Sie für die Zeichnung. Ihr übliches Honorar.«
»Blüht Mohn nicht im Frühjahr?«
»Ja, und?«
Sie schüttelte den Kopf, aber er sah, dass sie sich ein Lächeln verkneifen musste. Dann zog sie ihren Schlüsselbund aus der Manteltasche. Eine Pfeife war daran befestigt.
Er runzelte die Stirn. »Sie wissen, dass Pfefferspray sehr viel effektiver ist, oder? Sie bekommen es in jedem Haushaltswarengeschäft.«
Sie legte den Kopf schief. »Ja, das weiß ich. Aber da ich ständig durch die Sicherheitskontrollen an irgendwelchen Flughäfen muss, nutzt mir das nichts.«
Jacks bevorzugtes Selbstverteidigungsmittel war eine SIG P229, die sogar Pfefferspray um einiges überlegen war. Aber er bezweifelte, dass Fiona als waschechte Kalifornierin etwas für Schusswaffen übrighatte.
Sie öffnete die Autotür und sah ihn an. »Sie geben nie auf, was?«
»Nein.«
Er legte seine Hand auf den Türrahmen. Ihre Finger berührten sich kurz und es war, als würde diese Berührung ihnen beiden einen leichten Schlag versetzen. Er bemerkte, dass sie zusammenzuckte.
Sie stieg ein und steckte den Schlüssel ins Zündschloss.
Jack legte seinen Unterarm auf das Autodach und beugte den Kopf zu ihr hinunter. Sie würde jeden Augenblick nachgeben, das sah er ihr an.
»Gut, ich mach’s.«
Er lächelte, und sie ließ den Motor an.
»Geht es morgen früh um zehn?«, fragte er. »Sie finden mich auf der Dienststelle in Graingerville. Sie brauchen zwei Stunden für die Fahrt, zwanzig Minuten weniger, wenn Sie schnell fahren.«
Sie streckte die Hand nach dem Türgriff aus, er trat beiseite, und sie zog die Tür zu und ließ das Fenster ein paar Zentimeter herunter. »Elf. Ich komme heute wahrscheinlich erst spät nach Hause, und morgen früh muss ich erst noch etwas erledigen.«
»Fahren Sie allein nach Hause?« Das ging ihn eigentlich überhaupt nichts an, aber er konnte sich nicht zurückhalten. Er hatte neun Jahre auf einem Großstadtrevier gearbeitet. Frauen, die zu später Stunde allein ein Lokal verließen, waren leichte Beute.
»Das«, sagte
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