Der Sarg: Psychothriller
der Maschine in der Küche. Während Leienberg sich an den kleinen Tisch setzte, fragte sie sich kurz, warum sie nicht mit ihm ins Wohnzimmer gegangen war. Aber das war auch egal. Wichtiger war die Frage, was der Psychiater hier bei ihr zu Hause wollte. »Sie waren zufällig in der Nähe?«, wollte sie wissen, ohne sich zu ihm umzudrehen. Sie hörte ihn hinter sich lachen.
»Nein, von zufällig habe ich nichts gesagt. Ich sagte, ich war in der Nähe. Das war ich, nachdem ich zu Ihrer Adresse gefahren bin.«
Nun drehte sie sich doch um, während die Kaffeemaschine gurgelnd ihre Arbeit tat. »Wie?«
»Es war kein Zufall, ich bin ganz bewusst hierher gekommen, weil ich sehen wollte, wie es Ihnen geht, und weil ich Sie davon überzeugen möchte, wieder zu mir in die Praxis zu kommen.«
Evas Verwirrung schlug in das Gefühl um, sich zur Wehr setzen zu müssen. Sie stellte eine der Tassen vor Leienberg ab und setzte sich auf die Kante des Stuhls, so, dass sie jederzeit würde flüchten können, wenn es nötig wäre. Im gleichen Moment fragte sie sich, warum es nötig sein sollte, vor einem Arzt zu flüchten. Leienberg sah sie an, und sein Blick fühlte sich an wie der eines Forschers, der ein Versuchstier beobachtete. »Ich weiß nicht, warum ich noch mal zu Ihnen kommen sollte, Dr. Leienberg.«
»Weil Sie mir noch gar nichts von den Dingen erzählt haben, die Sie belasten. Ihre Albträume zum Beispiel.«
»Ach, das wird sich bald wieder geben.« Eva war sich darüber im Klaren, dass es nicht besonders überzeugend geklungen hatte, und versuchte, ihrer Stimme einen festeren Klang zu geben. »Ich denke, das hat alles mit dieser furchtbaren Sache mit Inge zu tun.«
Leienberg dachte einen Moment nach, dann sagte er: »Aber es geht doch nicht nur um irgendwelche Träume, Eva. Was ist mit diesem Sarg? Und was mit den Verletzungen?«
Evas Herz begann zu rasen. »Woher wissen Sie davon? Hat Wiebke Ihnen das erzählt?«
Leienberg sah sie überrascht an. »Ja, Wiebke hat mir das gesagt, aber doch nur, weil sie Sie sehr mag und sich große Sorgen um Sie macht. Sie musste mir doch den Grund dafür nennen, dass ich so schnell einen Termin freimachen sollte. Als Sie mir von einer Freundin erzählte, die Albträume hat, sagte ich ihr, dass viele Menschen darunter leiden und dass solche Träume, vor allem in Stresssituationen, gar nichts Ungewöhnliches sind. Dann war sie gezwungen, mir das mit den Verletzungen zu sagen, damit ich verstand, dass die Sache hier anders liegt.«
»Sie erzählt einem Fremden ohne mein Wissen Dinge über mich, die ich ihr im Vertrauen gesagt habe? Und das, obwohl ich sie explizit darum gebeten habe, mit niemandem darüber zu reden. Das ist so … Ich … ich …« Ihr Blick verschwamm, und als ihr die Tränen über die Wangen liefen, verbarg sie das Gesicht in ihren Händen.
»Bitte vergessen Sie nicht, ich bin Arzt.« Seine Stimme war jetzt sanft. »Wiebke hat sich nur aus einem Grund an mich gewandt: Weil sie wollte, dass ich Ihnen helfe.«
Eva ließ die Hände sinken. Sie würde jetzt ziemlich verheult aussehen, aber es war ihr egal. »Mir helfen? Ist das ein Grund, das Vertrauen einer Freundin zu missbrauchen?«
»Wenn die Hintergründe, die dazu führen, dass man glaubt, eine Freundin braucht Hilfe, schwerwiegend genug sind, dann ja.«
Eva schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, das sehe ich anders, tut mir leid.«
Leienberg war nach wie vor vollkommen ruhig, sein Gesichtsausdruck freundlich. Er nahm einen Schluck Kaffee und stelle die Tasse wieder ab. »Aber wenn wir nun mal davon absehen, dass Wiebke es war, die mir diese Dinge gesagt hat – das Problem besteht doch nach wie vor. Warum quälen Sie sich mit diesen Dingen? Denken Sie nicht, es wäre einen Versuch wert, mit mir darüber reden? Wer weiß, vielleicht kann ich Ihnen ja tatsächlich helfen? Und selbst wenn nicht – was können Sie dabei verlieren? Ich weiß doch sowieso schon von diesen … Dingen.«
»Was hat Wiebke Ihnen genau erzählt?«, fragte Eva nach einer längeren Pause unvermittelt.
Leienberg zögerte nur kurz, bevor er antwortete: »Nun, sie hat mir erzählt, dass Sie glauben, in einem Sarg aufzuwachen, lebendig begraben. Sie versuchen sich zu befreien, aber es gelingt Ihnen nicht. Und dann wachen Sie plötzlich in Ihrem Bett wieder auf und haben Schwellungen am ganzen Körper.«
Eva trank von ihrem Kaffee und verzog das Gesicht, er war kalt und schmeckte bitter. »Was ist mit Schlafwandeln?«
»Was?
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