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Der Sarg: Psychothriller

Der Sarg: Psychothriller

Titel: Der Sarg: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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ist?«
    »Nein, wie ich schon sagte, ich stehe nicht am Fenster und beobachte andere Leute.« Ihre Stimme hatte nun einen beleidigten Unterton.
    »Hm … Und wann war das, als Sie den Mann gesehen haben?«
    Sie dachte einen Moment nach. »Das muss etwa eine Stunde her sein, vielleicht auch ein bisschen länger.«
    »Frau Köhler, auch, wenn Sie das Gesicht des Mannes nicht genau gesehen haben, würde ich Ihnen trotzdem gerne jemanden vorbeischicken mit einem tragbaren Computer, auf dem man Gesichter zusammenbauen kann, so ähnlich wie bei einem Puzzle, bei dem man einzelne Teile austauschen kann, würden Sie …«
    »Sie möchten nach meiner Beschreibung ein Phantombild anfertigen, oder?
So ähnlich wie bei einem Puzzle
 … Ich bin eine erwachsene Frau, Sie müssen nicht mit mir reden wie mit einem Kind.«
    »Ja, entschuldigen Sie, wie dem auch sei, ich schicke Ihnen dann gleich jemanden. Vielleicht erinnern Sie sich oder erkennen Ähnlichkeiten, wenn Sie verschiedene Gesichter sehen.«

43
    Britta betrachtete die Hinterköpfe der Leute, die in den Reihen vor ihr saßen.
Ihr Ignoranten
, dachte sie.
Was würde ich wohl entdecken, wenn ich in eure dämlichen Köpfe sehen könnte? Na? Nicht viel, schätze ich. Ihr denkt alle, ihr wisst Bescheid über das Leben. Dass ich nicht lache. Nichts wisst ihr. Weil ihr mit geschlossenen Augen durch die Gegend lauft. Hohlbirnen.
    Sie wandte den Blick ab und sah durch die große Scheibe nach draußen. Gebäude zogen vorbei wie auf Schienen, Haus an Haus aneinandergebaut, als gäbe es sonst keinen anderen Platz auf der Welt als diese dämliche Brühler Landstraße. Sie würde sich eine andere Bleibe suchen, dann musste sie nicht mehr durch diese Scheißstraße.
    Eine der Häuserfronten war mit riesigen, bunten Graffiti-Liebesschwüren an eine Nina überzogen, und Britta konnte sich ein hämisches Grinsen nicht verkneifen, wenn sie daran dachte, wie dämlich die Spießer wohl aus der Wäsche geglotzt hatten, als sie das Geschmiere auf ihrer Hauswand entdeckt hatten. Im nächsten Augenblick jedoch war dieser kurze Hauch der Genugtuung wie weggewischt. An seine Stelle trat etwas anderes, erst eine Ahnung, dann die Gewissheit, dass etwas Schlimmes in ihrem Kopf im Anmarsch war, Bilder, die wie ein Tornado über sie herfielen und ihr Inneres verwüsteten. Sie versuchte noch, sich dagegen zu wehren, als sie spürte, was da kam, aber zu spät. Plötzlich war dieses Gesicht vor ihr, übergroß und aus dem Mund riechend …
    … der Mund grinst sie an. Britta hat den Mann, der heute zu Besuch gekommen ist, noch nie gesehen. Er ist furchtbar dick, seine Arme und seine Hände sind so eklig weich und so weiß. Seine Finger sehen aus wie rohe Fleischwürste. Ihre Mama hat ihr gesagt, sie müsse bei ihm ganz besonders brav sein, weil er ein ganz guter Freund ist, und dass sie keine Klagen hören möchte. Er wolle neue Spiele mit ihr spielen. Britta wollte die Augen schließen, aber da hat der Mann gesagt, dass sie das nicht darf. Also hält sie die Augen offen und sieht ihm jetzt dabei zu, wie er sich umdreht und etwas Komisches aus der Tasche zieht, die er mitgebracht hat. Es hat eine eigenartige Form. Britta hat so etwas noch nie gesehen und kann sich nicht vorstellen, was man mit diesem Ding spielen kann. Aber sie weiß, dass Mamas Besucher oft Spiele machen, die sie nicht versteht. Jetzt ist er wieder bei ihr am Bett …
    Unter enormer Anstrengung gelang es Britta, die Bilder wegzuschieben, die immerzu irgendwo in ihrem Kopf auf eine Gelegenheit zu lauern schienen, sich in den Vordergrund zu drängen. Mit einem schnellen Blick nach vorne und zur Seite vergewisserte sie sich, dass sie nichts getan hatte, was die Aufmerksamkeit der anderen im Bus auf sie gelenkt hatte. Aber die starrten nach wie vor stumpfsinnig vor sich hin und hatten nichts bemerkt. Britta musste an etwas anderes denken, sie versuchte sich an den Gebäuden draußen zu orientieren und sah, dass Sie bald am Hauptbahnhof ankommen würden, wo sie aussteigen wollte. Sie fragte sich, ob sie in diese blöde Kneipe gehen sollte und ob dieser Dagger schon dort war, obwohl es erst später Nachmittag war.
    Britta wusste, dass sich gerade alles zuspitzte, und das machte ihr eine Scheißangst. Bisher war sie felsenfest davon überzeugt gewesen, dass ihr die Fähigkeit, so etwas wie Angst zu empfinden, schon sehr früh abhanden gekommen war. Angst bedeutete, den Willen zu haben, möglichst unbeschadet weiterzuleben. Ab einem

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