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Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch

Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch

Titel: Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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derartige Ausbrüche bei Hexen und Zauberern ganz andere Folgen haben als bei jähzornigen Kindern. Mit Donnerkrachen platzte der Fußboden auf, aus dem Riß quollen Flammen und Rauch, und ein riesiges, rotglühendes Kamel streckte seinen Kopf hervor, der auf einem schlangenartigen Hals saß, sperrte sein Maul auf und blökte den Geheimen Zauberrat ohrenbetäubend an.

    Doch der zeigte sich davon nicht im mindesten beeindruckt.
    »Ich bitte dich, Tantchen«, sagte er müde, »du ruinierst mir nur den Estrich - und das Trommelfell.«
    Tyrannja winkte dem Kamel zu verschwinden, der Fußboden schloß sich wieder, ohne daß eine Spur zurückblieb, und nun verblüffte die Hexe den Zauberer doch noch durch etwas Unerwartetes:
    Sie weinte.
    Das heißt, sie tat jedenfalls so, denn natürlich können auch Hexen keine wirklichen Tränen vergießen. Immerhin zog sie ihr Gesicht zusammen wie eine vertrocknete Zitrone, tupfte sich die Augen mit ihrem Spitzentüchlein und wimmerte: »Ach, Bubi, du böser, böser Junge! Warum mußt du mich immer so ärgern? Du weißt doch, wie temperamentvoll ich bin.«
    Irrwitzer betrachtete sie angeekelt.
    »Peinlich«, sagte er nur, »wirklich äußerst peinlich.«
    Sie produzierte probeweise noch ein paar Schluchzer, doch dann verzichtete sie auf die weitere Vorführung und erklärte mit gebrochener Stimme: »Na gut, wenn ich dir’s sage, dann hast du mich hundertprozentig in der Tasche - und das wirst du natürlich schamlos ausnützen, wie ich dich kenne. Aber was soll’s, ich bin so oder so
    verloren. Heute war bei mir ein höllischer Beamter, ein gewisser Maledictus Made, im Auftrag meines Gönners, des Infernalischen Finanzministers Mammon. Er hat mir angekündigt, daß ich noch diese Nacht bei Jahresende persönlich gepfändet werde. Und das ist allein deine Schuld, Beelzebub Irrwitzer! Als deine Auftraggeberin sitze ich nun in der schwärzesten Tinte. Weil du hinten und vorne nicht fertig geworden bist, bin ich mit meinen Geschäften in Verzug geraten und konnte nicht soviel Unheil stiften, wie ich laut meinem Vertrag sollte. Deswegen halten die Tiefsten Kreise dort unten sich nun an mich. Mich ziehen sie dafür zur Verantwortung! Das habe ich davon, daß ich aus familiärer Anhänglichkeit meinen unfähigen und faulen Neffen finanziert habe! Und wenn du nun auch nur einen Funken Schuldbewußtsein in dir hast, dann gibst du mir jetzt auf der Stelle deinen Teil des Rezeptes, damit ich den Wunschpunsch trinken kann. Das ist meine letzte Rettung. Sonst sollst du verflucht sein mit dem schlimmsten Fluch, den es gibt: Mit dem Erbtanten-Fluch!«
    Irrwitzer hatte sich in seiner ganzen, knochendürren Länge erhoben. Seine Nasenspitze war während der Rede Tyrannjas nach und nach grünlich geworden.
    »Halt ein!« rief er und hob abwehrend die Hand. »Halt ein, ehe du etwas tust, was dich gereuen würde! Wenn es so steht, wie du sagst, dann bleibt uns beiden nichts anderes übrig, als gemeinsame Sache zu machen. Wir haben uns nämlich gegenseitig in der Tasche, meine liebe Tante. Auch bei mir war dieser höllische Gerichts-
    Vollzieher, und auch ich werde um Mitternacht persönlich gepfändet, es sei denn, ich hole das Versäumte nach. Wir sitzen im gleichen Boot, meine Beste, und wir werden uns nur gemeinsam retten oder gemeinsam untergehen.«
    Während seiner Worte war auch Tyrannja aufgestanden. Sie blickte zu ihrem Neffen empor und streckte die Arme aus.
    »Bubi«, stammelte sie, »laß dich küssen!«
    »Später, später«, antwortete Irrwitzer ausweichend, »jetzt haben wir Dringenderes zu tun. Wir werden gemeinsam und unverzüglich an die Zubereitung des sagenhaften satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsches gehen, wir werden ihn dann gemeinsam trinken, abwechselnd ich ein Glas und dann du eines, und dabei werden wir gemeinsam unsere Wünsche sagen, erst ich einen, dann du, dann wieder ich ...«
    »Nein«, unterbrach ihn die Tante, »lieber erst ich, dann du.«
    »Wir können ja losen«, schlug er vor.
    »Meinetwegen«, sagte sie.
    Und jeder von beiden dachte, daß sich später sicherlich noch eine Möglichkeit finden würde, den anderen auszutricksen. Und beide wußten, daß der andere das dachte. Schließlich waren sie ja doch aus der gleichen Familie.
    »Dann hole ich also jetzt meinen Teil des Rezeptes«, sagte er.
    »Und ich begleite dich, Bubi«, antwortete sie. »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, meinst du nicht auch?«
    Irrwitzer eilte davon, und Tyrannja folgte ihm

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