Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
Vom Netzwerk:
Urinal zu lösen, das mit Zigarettenkippen und Kaugummipapier verstopft war. Die Augen des Mannes hatten Jamaica von oben bis unten gemustert, und Jamaica hatte auf Anhieb gewusst, was er gerade dachte.
    Manche Dinge änderten sich nie.
    »Scheiße am Stil«, sagte Bash zu dem Spiegel. »Ich habe ein Veilchen. Cammy wird ’nen Koller kriegen.«
    »Bitte.« Jamaica flehte ihn an. »Bitte sag mir, dass du nicht wirklich jemanden namens Cammy kennst. Halt still!«
    Ihr Humor war dazu bestimmt, ihm – größtenteils ihm – die Spannung zu nehmen, und er verhielt sich ruhig, während sie sein Gesicht verarztete. Sie würden ihn wieder so hinkriegen, dass er als Mensch durchging – wenn sie die Zeit und die medizinischen Möglichkeiten dafür hatten. Sie stopfte ihm kleine Pfropfen aus Toilettenpapier in die Nasenlöcher und versicherte ihm, dass die da nicht bis zum Ende aller Tage bleiben mussten … nur so lange, bis das Blut geronnen war.
    Er dachte, dass man diese Art von Erster Hilfe mindestens genauso gut in Jonathans Badezimmer hätte durchführen können. Er sagte ihr das, doch sie schüttelte entschieden den Kopf.
    »Nein, nein und nochmals nein. Wir mussten da verschwinden, und wir lassen uns da auch nicht mehr blicken. Die Kacke ist da verdammt am Dampfen, und du kannst es mir wirklich glauben, du willst sie nicht abkriegen.« Das war ein Spruch den sie von Cruz hatte.
    Dann ging sie wieder nach draußen und gab ihm Gelegenheit zu urinieren – unter Schmerzen, und es waren auch ein oder zwei Bluttropfen darunter durch den Schlag, den er in die Nieren erhalten hatte. Er ging zu dem Spiegel zurück und starrte hinein, als sei er debil. Sein Veilchen hatte die Größe eines Tennisballs, und seine Lippen fühlten sich an, als sei die Haut von ihnen abgezogen worden.
    Bevor er seinen Zustand zu sehr bedauern konnte, kam sie wieder und reichte ihm eine Tasse mit dampfendem Kaffee, die duftete, wie sich ein erwachsener Mann das Paradies vorstellte. Sie schob ihm drei rosa und schwarze Kapseln in die Hand.
    »Nimm sie. Vertrau mir …«
    Er tat es, und zehn Minuten später fühlte er sich erstaunlich gut, wenn man seine Verletzungen bedachte. Die Pharmaindustrie konnte so nett sein.
    Auf dem Namensschild der Serviererin stand Hallo Miss. Bash hätte gelächelt, wenn er nicht befürchten müsste, dass sein Gesicht dabei auseinanderplatzte.
    »Ist mit Ihnen alles okay?«
    Jamaica übernahm die Antwort. »Ja. Wir hatten eine kleine Meinungsdifferenz, und ich musste ihm ein paar aufs Maul geben. Junge trifft Mädchen. Faust trifft Fresse.« Sie lehnte sich zu der Serviererin herüber und fügte verschwörerisch hinzu: »Ich habe nichts kaputtgemacht, was ich noch brauche, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Die Serviererin zog eine Grimasse, dann versuchte sie ein vorsichtiges Lächeln. Wollte man sich über sie lustig machen?
    Sie gehörte zu dem dünnen, verhärmten Typ, der auch in zwanzig Jahren und nach ein paar Kindern mehr immer noch Bestellungen für Rührei mit Speck aufnehmen würde.
    »Meine Eier bitte richtig durch«, orderte Jamaica. »Der Schinken kross. Die Würstchen gut durch. Sauerteig-Toast. Wir wissen noch nicht, ob er schon wieder essen kann.«
    »Ich gebe die Bestellung weiter. Der Koch meint jedoch, dass bei dem Sturm irgendwann der Strom ausfallen wird.«
    Sie hatte nur drei andere Bestellungen aufzunehmen: ein Schneepflugfahrer, der einen Stapel Zeitungen um sich ausgebreitet hatte und ein riesiges Frühstück verschlang. Er aß auf Vorrat für einen Tag mit endlosen Überstunden. Zwei Tische weiter saß ein Pärchen; ein geschniegelter Typ, der auf Hemd-Blazer-Kombinationen stand, und eine Blondine mit eingesunkenen Augen, die entweder seine Frau oder seine Verlobte war. Sie warteten auf ihre Club-Sandwiches und fragten sich, warum gerade sie mitten in diesem tobenden weißen Albtraum stranden mussten. Und an der Theke saß der Mann aus dem Waschsalon. Klarer Fall von Null-Bock-Kid. Er hing hier rum, um den Gratis-Kaffee zu trinken und Hallo Miss anzubaggern.
    »Sie ist gut«, sagte Jamaica. »Sie sorgt dafür, dass die Tasse nicht leer wird, ohne dass man ihr jedes Mal winken muss.«
    »Und du?« Zu Anfang musste Bash sich mehr mit Gesten und Andeutungen verständigen als mit wirklichen Fragen.
    »Ich habe es auch mal als Serviererin versucht. Hat das nicht jede mal?« Sie nippte an ihrem Kaffee. »Hast du vor, die Kanone zu behalten, die du mit dir herumträgst?«
    Er wurde blass vor

Weitere Kostenlose Bücher