Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
Vom Netzwerk:
besticktes Seidentuch. Ein verschreckter Hausdiener drückte sich im Flur zur Küche herum, unsicher, wie er sich verhalten sollte. Irgendwo in den Tiefen des Hauses jaulte ein Barlyner Hirte.
    Wymmler wandte seinen Blick Hippolit zu, der vor dem hingestreckten Körper des Ministers kniete und diverse thaumaturgische Utensilien zurück in sein tragbares Miniaturlaboratorium räumte.
    »Und?«, wiederholte Wymmler und wedelte unauffällig den beißenden Rauch von seiner Nase fort, der als Resultat von Hippolits Aktivitäten in der Luft hing.
    »Graf Heitrych kam ohne jeden Zweifel durch Einwirkung von Thaumaturgie ums Leben«, verkündete Hippolit, bevor Jorge erneut seine persönliche Einschätzung der Lage zum Besten geben konnte. »Wie es aussieht, wurde die Tatwaffe vermittels eines Beschleunigers mit hoher Geschwindigkeit auf ihn abgefeuert. Sie schlug zwei Fingerbreit oberhalb der Nasenwurzel ein und durchdrang nahezu ohne Energieverlust den vorderen Schädelknochen. Minister Heitrych war augenblicklich tot.«
    Letzteres war eine überflüssige Feststellung. Die Tatwaffe, ein Dolch mit geschmackvoll ziseliertem, silbernem Griff, steckte bis zum Heft in der Stirn des Opfers, dessen feistes rotes Gesicht noch von einem Ausdruck genervter Ungeduld gezeichnet war. Neben einem dünnen Blutrinnsal, das aus der Wunde ausgetreten war und sich weiter oben zwischen Heitrychs Haarwurzeln verloren hatte, waren an der Eintrittsstelle der Klinge mehrere linsengroße weiße Klümpchen ins Freie gedrückt worden. Der Anblick erinnerte an Hirsebrei, der unter dem Deckel eines Kochtopfs hervorquillt. Es war Hirnmasse.
    »Ein kleines Wunder, dass der plötzliche Überdruck das Granium nicht zum Bersten gebracht hat.« Hippolit schloss den Deckel seiner Tasche und erhob sich.
    »Tja-ja«, murmelte Jorge im Hintergrund. »Die gute, alte Dolch-mitten-in-die-Stirn-Masche. Einfach und effektiv.« Er beendete seine Marschiererei und baute sich mit gerunzelter Stirn über der Leiche auf. »Ist dir schon aufgefallen, M.H., dass wir in diesem Fall bemerkenswert oft mit Metall in den Oberschalen irgendwelcher Minister konfrontiert werden?«
    Hippolit überging den Einwurf und wandte sich an Wymmler: »Ich würde mich gerne mit der Gattin des Toten unterhalten. Sie sagten, die Frau habe die Tat mit angesehen?«
    Der Polizeipräsident nickte. »Frau Mevis öffnete die Tür, da sie ihren Mann von der Arbeit heimkehren hörte. Als der Minister das Foyer betreten wollte …«
    »Danke, aber das würde ich lieber von ihr persönlich hören. Ist sie ansprechbar?«
    Als die Zwergin hörte, dass über sie gesprochen wurde, kam sie von der Wohnzimmertür herüber. Sie hatte langes, glänzend schwarzes Haar, das ihr offen über die Schultern fiel. Der späten Stunde geschuldet trug sie ein Schlafgewand aus dünnem, dezent gemustertem Seidenstoff, das ihre annähernd menschlichen Proportionen vorteilhaft betonte. »Ich will Ihnen alles erzählen«, erklärte sie und wischte sich die rot geränderten Augen trocken. »Wenn Sie nur den Mörder meines Mannes zur Strecke bringen!«
    »Wir werden uns Mühe geben«, erwiderte Hippolit diplomatisch. »Ihr Gemahl kam also von der Arbeit heim?«
    Sie nickte. »Um die zehnte Abendstunde. Mein Mann hatte im Amt Überstunden gemacht, das kam oft vor in letzter Zeit. Valther sah durch das Küchenfenster, wie er die Straße herunterkam. Er rief mir zu …«
    »Valther?«, unterbrach Hippolit mit fragend gehobenen Brauen.
    »Unser Hausdiener.« Frau Mevis wies auf die Tür zur Küche, aus der Klirren und Gluckern zu vernehmen war, als wüsche jemand in Ermangelung einer anderen Tätigkeit hektisch Geschirr ab.
    »Valther … so, so. Höchst interessant!« Jorge zog sich den Bund seiner ledernen Hosen hoch und stapfte den Flur entlang. »Keine Sorge, M.H.: Ich nehme mir den Kerl mal vor.« Mit diesen Worten verschwand er in der Küche. Die Spülgeräusche verstummten.
    Hippolit bedeutete der Zwergin fortzufahren.
    »Ich wollte schon zu Bett gehen«, berichtete Frau Mevis stockend. »Glücklich, dass mein Mann ausnahmsweise einmal heimkehrte, solange ich noch wach war, lief ich zur Haustür. Ich öffnete, er trat ein. Doch als ich ihn gerade in die Arme schließen wollte …«
    »Einen Augenblick, bitte!« Hippolit hob die Hand. »Ihr Gatte war bereits im Haus, als der Anschlag passierte?«
    Frau Mevis schniefte, ihre Schultern begannen zu zucken. »Er war just über die Schwelle getreten. Nur ein halber Schritt trennte

Weitere Kostenlose Bücher