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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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massiven Holzstielen fixiert waren. Die Werkzeuge stellten einen nicht unerheblichen Sachwert dar. Fraglos würde ihr Besitzer bald wieder hier auftauchen, um sie einzusammeln.
    Hippolit schritt schneller aus, seine Gedanken kehrten zu der Verhaftung zurück, die unmittelbar bevorstand. Er versuchte, sich vorzustellen, wie Geheimrat Karliban reagieren würde, wenn er ihm verkündete, wer für den Tod Minister Borkudds verantwortlich war …
    Er stutzte erneut. Zwischen den Spitzhacken hatte sich etwas bewegt. Ein Tier? Einer der allgegenwärtigen Barlyner Hirten möglicherweise?
    Dann ging alles ganz schnell: Ein metallisches Klirren ertönte, ein Ruck ging durch den schweren Werkzeughaufen. Innerhalb eines Sekundenbruchteils machten sämtliche Spitzhacken völlig synchron einen Satz in die Luft. Etwa in Brusthöhe blieben sie stehen, schwebten mehrere Herzschläge lang frei über dem Boden, bevor sie, ebenfalls in geisterhaftem Synchronismus, ihre metallenen Köpfe zu drehen begannen … in Hippolits Richtung!
    Unter normalen Umständen hätte er vermutlich rascher realisiert, was sich vor seinen Augen abspielte. In seiner gegenwärtigen Gemütsverfassung jedoch, zwischen vorfreudiger Erwartung und nervöser Hektik, benötigte sein Verstand kostbare Sekunden, um aus Geheimrat Karlibans Sprechzimmer in den dämmrigen Korridor tief in den Eingeweiden Barlyns zurückzukehren – eine Verzögerung, die sich als fatal erwies.
    Urplötzlich schossen die Hacken vorwärts, ein Rudel tödlicher Stahltorpedos mit plumpen hölzernen Heckflossen.
    Ein multipler Beschleuniger höchster Stufe, zuckte es Hippolit durch den Kopf. Es bedurfte erheblicher thaumaturgischer Fähigkeiten, um ein derartiges Kunststück durchzuführen, noch dazu ohne jeglichen Blickkontakt zu den levitierten Objekten. Denn der Gang vor ihm war bis zur nächsten Biegung noch immer menschenleer.
    Mit aberwitziger Geschwindigkeit zischten die Geschosse heran. Hippolit hörte das Sirren, mit dem scharf geschliffenes Metall die Luft durchschnitt. Weglaufen war sinnlos, bis zur letzten Kurve war es viel zu weit – die Spitzhacken würden ihn einholen, bevor er sich in Sicherheit bringen konnte. Auf den Boden? Selbstmörderisch – die unteren Hacken rasten kaum eine Handspanne über dem Fels dahin.
    Hippolit spürte, wie ihn Panik zu übermannen drohte. Ein thaumaturgischer Abwehrmechanismus, das war die einzige Lösung! Tonlos, wie im Reflex, begannen sich seine Lippen zu bewegen, knurrende Silben der Alten Sprache drangen aus seiner Kehle. Wenn er es schaffte, schnell genug …
    Da war die tödliche Wolke aus Stahl und Holz auch schon heran. Hippolits Schrei ging unter im schrillen Klirren von Metall und dem unnachgiebigen Krachen von steinhartem Holz.

24
     
     
    Noch schwieriger, als aus der Dunkelheit aufzutauchen, jenem bodenlosen, stillen Sumpf, der ihn umfangen hielt und nur widerstrebend loslassen wollte, war es, nicht sofort wieder dorthin zurückzustürzen, in die Schwärze, von der Jorge wusste, dass sie endgültig sein würde.
    Einerseits waren die Schmerzen unerträglich, andererseits bewiesen sie, dass er noch einen Körper besaß – einen vergifteten, halbtoten, in den es seine Seele aus irgendeinem irrigen Grund zurückkatapultiert hatte. In einem abgelegenen Bereich seines Verstandes hallte ein altes Trollsprichwort nach, und es ging ungefähr so: Wenn du noch-einen Körper besitzt, ist nicht alles verloren, auch wenn es wehtut.
    Sein Blick war getrübt. Nur mit Mühe nahm er wahr, wie er aus dem Brauereizelt torkelte. Alles um ihn herum war wie in Watte gepackt, verschwommen, schemenhaft. Ein Zwerg mit Filzhut und nacktem Oberkörper kam ihm entgegen. Jorge sah ihn doppelt. Die Zwillinge wichen ihm erschrocken aus.
    Er verlor das Gleichgewicht und schlug der Länge nach hin.
    Wie viel Zeit war vergangen, seitdem ihm Ullrych, dieser miese Drecksack, das Gift ins Bier gemischt hatte? Jorge wusste es nicht, aber soweit er erkennen konnte, war der Schwelgermarkt mittlerweile fast vollständig verwaist.
    Es hatte auch sein Gutes, in einer Welt voller Winzlinge als »Monstrum aus dem Kuriositätenkabinett« zu gelten, dachte Jorge bitter. Konstitution und Stoffwechsel eines solchen Ungetüms waren schwer einzuschätzen. Das musste der Grund sein, dass sich Ullrych bei der Menge des Gifts ganz offensichtlich verkalkuliert hatte – zu Jorges Vorteil, andernfalls wäre er gewiss längst tot.
    Unmittelbar nach Ullrychs hämischer Offenbarung war

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