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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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allerletzter Sekunde konnte ich jedoch einen Kielkeil vor meinem Körper errichten – wie Sie quintessenziell anmerkten, ein simpler, daher sehr kurzer Spruch –, den ich mit einer einzelnen Kraftsilbe ausreichend verstärkte, sodass er die herannahenden Geschosse stromlinienförmig um meinen Körper herumlenkte. Kaum waren sie mit einem infernalischen Lärm gegen die Wand der hinter mir liegenden Gangbiegung geprallt, ging ich ebendort in Deckung und wartete auf Sie.« Hippolit reckte die Schultern, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen. »Aber jetzt zu Ihnen: Woher wussten Sie, dass heute Ihre letzte Gelegenheit sein würde, mich auszuschalten, weil ich Ihre perfide Täuschung durchschaut hatte?«
    Everards Augen waren kalt wie Eis. Er machte keine Anstalten zu antworten. In seinem Gesicht zuckte es.
    »Lassen Sie mich raten: Sie haben vor unserer Ankunft in Barlyn einen Lauscher in unserem Quartier installiert, ebenso vermutlich in den Räumen, in denen Oskulapius und Rekten untergebracht waren? Mithilfe dieses thaumaturgischen Kniffs waren Sie in der Lage, jeden Wortwurf abzuhören, der von uns nach draußen gesendet wurde oder bei uns einging.« Hippolit schüttelte nachsichtig den Kopf. »Ich nehme an, Sie wollten überwachen, ob wir auch brav den von Ihnen so minutiös ausgebrachten falschen Fährten nachjagten – dem Hammer, mit dem nie Nägel eingeschlagen worden waren, oder dem ›Ungeheuer‹, das nicht mehr war als eine thaumaturgische Projektion. Als Sie vorhin mitanhörten, dass ich unverschämterweise in die richtige Richtung ermittelte, bekamen Sie es mit der Angst und errichteten hier Ihren erbärmlichen kleinen Hinterhalt.«
    Everards Lippen bebten, er schien sich nur mit Mühe beherrschen zu können. »Sie wissen viel, Meister Hippolit«, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Zu viel!« Ohne Vorwarnung riss er die Arme in die Höhe und stieß eine rasche Abfolge gutturaler Laute aus. Scheppernd geriet der Werkzeughaufen hinter Hippolit in Bewegung. Drei der schweren Spitzhacken erhoben sich von Neuem in die Luft.
    Ohne einen Blick über die Schulter zu werfen, zog Hippolit die Hände aus den Taschen seines Gewands. In der rechten hielt er einen taubeneigroßen, grünen Edelstein, aus dessen Innern ein unnatürliches, pulsierendes Leuchten drang. Die Finger seiner Linken hielten einen mit verästelten Runen übersäten, metallenen Zylinder umfasst.
    »Sie mögen ein recht passabler Thaumaturg sein«, hob er an, ohne auf den nicht abreißenden Wortschwall zu achten, der aus dem Mund seines Gegenübers sprudelte. Im Einklang mit Everards wild gestikulierenden Händen drehten die schwebenden Spitzhacken hinter seinem Rücken synchron die Köpfe in seine Richtung.
    »In Ihrer maßlosen Selbstüberschätzung tendieren Sie allerdings dazu, andere zu unterschätzen. Glauben Sie allen Ernstes, nur Sie könnten Formeln verwenden, deren Rituale bereits im Vorfeld abgehalten wurden und die sich im Bedarfsfall durch eine einzige thaumaturgische Steuersilbe abrufen lassen?«
    Everard ließ sich nicht auf eine Diskussion ein. Wie rasend fuhr er fort, die Formel des modifizierten Beschleunigers herunterzuhaspeln.
    Die Spitzhacken hatten sich jetzt ausgerichtet. Ihr Ziel: Hippolits ungeschützter Rücken. Schon setzten sie sich in Bewegung, träge zunächst, dann immer schneller. Sirrend durchschnitten ihre stählernen Spitzen die Luft.
    Ohne Eile hob Hippolit Runenzylinder und grünen Stein und sprach halblaut ein einziges Wort, das entfernt wie zabboath klang. Im selben Moment entfuhr Everards Mund ein gellender Schrei. Von einer auf die andere Sekunde schwebten seine Hände nicht länger beschwörend in der Luft, sondern pressten sich krampfhaft gegen seine Schläfen.
    Die Spitzhacken, um die letzten Silben ihres thaumaturgischen Antriebs betrogen, klirrten harmlos hinter Hippolit zu Boden. Eine einzige schlitterte, vom eigenen Schwung vorwärtsgetrieben, weit genug über den Fels, um ihn sachte an der linken Ferse zu touchieren. Mehr geschah nicht.
    Everards Schrei indes schraubte sich in absurde Höhen. Seine Augen, weit aufgerissen und seinen Widersacher panisch anstarrend, schienen größer zu werden, immer größer, noch größer, bis sie sich mit einem feuchten, schmatzenden Geräusch aus ihren Höhlen lösten. An dunkelroten, dünnem Zwirn ähnelnden Fäden glitten sie seine Wangen hinunter, aus den zurückbleibenden, klaffenden Löchern pulsierten Sturzbäche milchig trüber

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