Der Schaedelschmied
ich in der Mordnacht mit meinen Einsatzkräften hier eintraf, hatte Lordprotektor Hindrych beschlossen, dass hochrangige auswärtige Ermittler mit der Aufklärung des Verbrechens betraut werden sollten. Von diesem Zeitpunkt an durfte nichts mehr verändert werden. Offenbar fürchtete Meister Alprecht, meine Männer könnten bei der Sicherung der Spuren alles in Grund und Boden trampeln.« Obwohl Wymmler sich bemühte, seine Stimme unbeteiligt klingen zu lassen, war ihm anzumerken, dass er mit dieser Art des Vorgehens alles andere als einverstanden gewesen war.
»Der Beschluss, Externe hinzuzuziehen, erfolgte demnach sehr rasch«, murmelte Hippolit. Etwas lauter sagte er: »Da dies auf Anraten Meister Alprechts geschah, muss dieser früh von den Vorgängen im Schürfministerium Kenntnis gehabt haben?«
»Vermutlich noch vor dem Lordprotektor selbst«, bestätigte Wymmler. »Nahezu alle Informationen, die den Regierungssitz Hindrychs erreichen, landen zuerst auf Meister Alprechts Schreibtisch. Er und niemand sonst entscheidet, wann und zu welcher Gelegenheit sie an den Lordprotektor weitergegeben werden.«
»In diesem Fall war sein Rat durchaus weise«, fand Oskulapius und erhob sich umständlich. »Aber nun lassen Sie uns mit unseren Untersuchungen fortfahren. Rekten! Die Stasis entfernen, aber ein bisschen flott, wenn ich bitten darf!«
Hippolit hob abwehrend eine Hand. »Wenn Sie nichts dagegen haben, meine Herren, würde ich das gern übernehmen.« Als er Meister Rektens entrüsteten Blick auf sich spürte, fügte er hinzu: »Seien Sie versichert, dass ich keinerlei Zweifel hinsichtlich Ihrer Fähigkeiten hege, Kollege Rekten.« Dass das Gegenteil der Fall war, behielt er wohlweislich für sich. »Aber da Sie hier lediglich die Funktion des kriminologischen Assistenten erfüllen und Herr Oskulapius die Stasis ja leider nicht selbst aufheben kann« – er schoss einen hämischen Blick in Richtung des Ermittlers aus Sherlepp ab –, »werden Sie mir gewiss zustimmen, dass es angebrachter ist, wenn ich die Operation vornehme. Nicht zuletzt aus juristischen Gründen. Sollte etwas schiefgehen, kann ich als offiziell mit dem Fall betrauter Ermittler die Verantwortung dafür übernehmen.«
Rekten dachte einen Augenblick über das Gesagte nach, dann nickte er zögernd.
»Sie sind demnach nicht versiert , Kollege Oskulapius?«, wollte Glaxiko wissen. »Was für ein Zufall. Da wären wir schon zu zweit!« Er schlug Oskulapius glücklich auf die Schulter.
Oskulapius schwieg. An seinen mahlenden Kiefermuskeln ließ sich jedoch ablesen, dass er heftig auf dem Mundstück seiner Pfeife herumkaute.
»Du, M.H. …?«, meldete sich Jorge aus dem Hintergrund.
»Jetzt nicht, Jorge. Herr Wymmler, wären Sie so freundlich, mir mein Miniaturlabor zu reichen, das mein Assistent auf dem Flur abgestellt hat?«
Wymmler war so freundlich. Wenige Augenblicke später stand das weiß lackierte Blechköfferchen vor Hippolit auf der Schreibtischplatte. Mit routinierten Handgriffen klappte er die in den Deckel eingearbeitete Etagere auf, die zahllose thaumaturgische Hilfsmittel und Ingredienzen beinhaltete. Während er Kohlebecken, Dreifuß sowie mehrere wachsversiegelte Tiegelchen daraus hervorholte und alles vor sich aufbaute, schob sich Oskulapius unauffällig zu ihm hinter den Schreibtisch.
Mit einem winzigen Hitzeglobulus entzündete Hippolit einen Brocken Kohle und platzierte ihn auf einem Teller unterhalb des Dreifußes. Dann begann er, mit einer Feinwaage und winzigen Jadegewichten eine exakte Menge fein granulierter Kristallkörnchen abzumessen, wobei er kaum hörbar thaumaturgische Befehlszeilen vor sich hin murmelte.
Oskulapius ließ ihn keine Sekunde aus den Augen.
Auch die anderen Anwesenden beobachteten das Geschehen interessiert, allen voran Vizeminister Frietrych, der Hippolit halb beeindruckt, halb verängstigt anstarrte. Allein Glaxiko war ganz von der Aufgabe in Anspruch genommen, die silbernen Knöpfe seiner Uniform zu polieren.
»M.H.?«, versuchte es Jorge erneut.
»Nanu? Was haben wir denn hier?« Ohne Vorwarnung langte Oskulapius über Hippolits Schulter hinweg, was diesem ein ungehaltenes Grunzen entlockte. Sein Ziel war ein kleinformatiger Bogen gelblichen Pergaments, kaum mehr als ein Notizzettel, der ganz oben auf den ungeordneten Papieren des Schreibtischs lag.
Kaum berührte seine Fingerspitze eine Ecke des Schriftstücks, wurde deutlich, dass der Unveränderlichkeitsspruch nicht nur das Einsetzen des
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