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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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»Verständigen Sie bitte Ihre medizinische Abteilung. Sobald der Leichnam von der Stasis befreit ist, möchte ich ihn in einer geeigneten Räumlichkeit obduzieren.«
    »Wir werden ihn obduzieren!«, stellte Oskulapius klar und paffte erregt an seiner Pfeife, als wollte er mit seinem Qualm auch etwas zu dem Ritual beisteuern.
    »Natürlich. Quintessenziell.« Hippolit holte tief Luft und begann, eine einzelne, schier endlos lange Befehlszeile in der Alten Sprache herunterzubeten. Zur Unterstützung bewegte er die Hände in archaischen Mustern durch den aufsteigenden Qualm.
    Obwohl es sich bei der Aufhebung der Stasis um ein eher gewöhnliches Ritual handelte, dessen Resultat kaum als spektakulär bezeichnet werden konnte, lag eine spürbare Anspannung über dem kleinen Raum. Niemand sprach. Das einzige Geräusch, das Hippolit vernahm, als er kurz Luft holte, war das Schaben von Meister Rektens Schreibstift auf dem Papier seines Notizbüchleins.
    Zügig erreichte er das Ende der Prozedur. Er griff in sein Gewand und holte einen simpel geschliffenen grünen Edelstein hervor. Dicht neben der Versuchsanordnung legte er den Hexalyt auf die Schreibtischplatte, sprach eine letzte, deutlich kürzere Zeile. Der Stein begann rhythmisch aufzuglühen, fingerdicke Lichtstrahlen durchschnitten die Rauchwolken unter der niedrigen Decke. Die Abstände zwischen den Blitzen wurden kürzer, bis der Hexalyt ein letztes Mal aufleuchtete, lang, grell und durchdringend. Dann verlosch er.
    Ein gurgelndes Stöhnen erfüllte das Studierzimmer. Sechs Köpfe nickten herum, Richtung Lehnstuhl.
    Minister Borkudds Kinnlade war nach unten gesackt, ein dünnes Rinnsal mit Blut vermischten Speichels rann aus seinem Mundwinkel auf sein Wams. Ein weiteres hohles Ächzen drang zwischen seinen Lippen hervor..
    »Bei Thellw dem Aufrechten, was …?«, entfuhr es Wymmler.
    Glaxiko stieß einen kieksenden Laut aus und machte einen unbeholfenen Sprung zur Seite. Dabei blieb er mit den Füßen an der klobigen Aktentasche hängen, die in der Nähe des Hammers auf dem Boden lag, geriet ins Straucheln und schlug der Länge nach hin. »Er lebt noch«, wimmerte er zwischen den Füßen der Umstehenden. »Obwohl er vier Tage lang eingefroren war, lebt der Schürfminister noch!«
    »Kein Grund zur Beunruhigung«, ließ sich Hippolit vernehmen. »Wenn ein frisch verstorbener Leichnam aus der Stasis gerissen wird, ist dies mit einem kräftigen physischen Stoß vergleichbar. Dabei kann in den Lungen zurückgebliebene Luft austreten, was sich in Form von Stöhnen oder Ächzen äußert. Ähnliches geschieht, wenn man einen Toten anhebt, um ihn fortzutragen.«
    »Ich … natürlich wusste ich das.« Mit hochrotem Kopf rappelte sich der General vom Boden hoch und klopfte sich den Staub von der Uniform.
    Während Hippolit seine Utensilien in den Koffer zurückräumte, schob sich Oskulapius an ihm vorbei und schnappte den Zettel von der Tischplatte, auf den er es zuvor abgesehen hatte. Augenblicke später war er so vertieft in die Lektüre, dass er gar nicht mitbekam, wie sich Hippolit, bewaffnet mit einer langen Pinzette, an dem Leichnam zu schaffen machte.
    Mit einem metallischen Schaben schob er das Greifwerkzeug unter einen der Nagelköpfe und begann, behutsam zu ziehen. Nichts geschah. Erst als er etwas mehr Kraft aufwendete, löste sich das Metall und glitt mit einem schmatzenden Laut heraus.
    »Unser Mörder hat ordentliche Arbeit geleistet«, murmelte Hippolit. »Die Nägel haben das Cranium vollständig durchschlagen und sind gut viereinhalb Zoll tief in die weiße Hirnmasse eingedrungen.«
    »Armer Teufel«, stöhnte Glaxiko. »Ich nehme an, er war sofort tot?«
    Hippolit zögerte. »Nicht zwingend. Aber darüber wird uns die Obduktion näheren Aufschluss geben.« Er sah sich über die Schulter um. »Sagen Sie, Oskulapius, wollen Sie sich den Toten nicht ansehen? Was treiben Sie da eigentlich? Haben Sie etwas Aufschlussreiches entdeckt?«
    Langsam ließ Oskulapius das Papier sinken. Verwirrung stand in seinem raubvogelartigen Gesicht. »Gewissermaßen«, bekannte er. »Ich schätze, dies ist ein Abschiedsbrief – ein Abschiedsbrief von Schürfminister Borkudd.«

6
     
     
    Herr Hellmuth, der Privatsekretär des verstorbenen Schürfministers, hauste in der Dreizehnten, in einem von zahllosen identischen Apartments, die in die Seitenwände eines von zahllosen identischen Straßenstollen mit grauenhaft niedriger Decke gemeißelt waren.
    Während er seine künstliche

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